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De Schwoarzfoarer

in 19.11.2021 22:45
von Harald.Herrmann | 784 Beiträge

De Schwoarzfoarer

Es Bettche en sein Aujust waren – als Geschäftsleute unabdingbar – bei der Beerdigung des Ortsdieners anwesend und anschließend natürlich auch zum „Tröster“ im Dorfkrug erschienen.
Da es Bettche zum Verwandtenkreis zählte, saß sie mit am Tisch der Verwandten, Aujust hatte es vorgezogen, am “Prominententisch“ Platz zu nehmen, an dem unter anderem der Bürgermeister, der Ortslandwirt, der Jagdpächter, der „Kolonialwarenhändler, der Metzger, der Bäcker und der Schreiner/Bestatter, der Dorfgendarm und – immer ein wenig auf dem Sprung - der Feldschütz saßen. Der Feldschütz, der zum einen immer dafür sorgte, dass am Tisch genug zu Trinken war und im stillschweigenden Abkommen zwischen Wirt und Jagdpächter für eigene Getränke nichts zahlen musste und zum anderen das Talent besaß, genau so viel von den Gesprächen am Tisch im Dorf zu verbreiten, dass die Neugier gestillt war, aber auch nicht zu viel von den Gesprächen nach außen drang, pendelte zwischen den Tischen hin und her und ließ Aujust wissen, dass er mal “Zoum Bettche komme sollt“.

Am Tisch hatte man ihm schon einen Platz zwischen Bettche und „dem Ortsdinnersch Liesche“ freigemacht, eine Tasse Kaffee war von Bettche schon hingestellt worden, man kam sofort auf das Problem zu sprechen.
Es Liesche gestand freimütig, dass es bei ihr jetzt mit dem Geld knapp werden würde, dass sie wohl weiterhin mit der Schelle durchs Dorf laufen und den Job als Ortsdienerin ausführen wolle, aber dass sie „met dem Bettche“ schon darüber gesprochen hatte, nachmittags im Laden auszuhelfen. Was ihr aber mehr auf dem Herzen lag war die Tatsache, dass sie jetzt niemanden mehr hatte, der sie zu dringend notwendigen auswärtigen Terminen mitnahm.

»Du wääßt doch, mein Kall hott maich immer met seim aale Moduurroad so schie em Seitewaa higefoarn, wuu aich emo ubedingt himusst!«

»Ach Liesche, do kann aich doas ob en zou mol enrichte, dess aich daich metnomme. Owwer wäi seht doas aus, widde nit noch de Führerschei mache?«

»Nee, nee, doas schaff aich nit, owwer aich düff doch met am Mopedche foarn, dofier brauch mer doch keen Führerschei. Kanns de mer nit doas aalt Moduurroad metnomme en mir defür e nau Mopedche metbrenge?«

»Doas kenn mer mache, aich brauch dofier nur die Babaier vom Moduurroad en om beste gebste mer gleich aach de Führerschei vo deim Kall met, dess doas met dem Obmenn schneller gitt.«

»Dem Kall sein Führerschei? So woas hott der nie gehatt, der hott doch alle Hitlerjunge met dem Moduurroad, woas er vom aale Bürchermeester gekritt hat, doas Foarn beigebrocht, der hott owwwer den Wesch, den er vo dem aale Nazi gekritt hatt, fottgeworfe en hott nie woas annersch gehatt!«

»No ja, Liesche, mir mache es, wäi besproche, aich gie noch emol riwwer en schwätze met de annern, doas werd schuu klappe!«


Aujust setzte sich wieder an den “Prominententisch“ und berichtete, dass sie dem Liesche eine Teilzeitstelle anbieten würden, dass er das Motorrad verkaufen und im Gegenzug ihr „e Mopedche“ besorgen würde, um sich dann an den Dorfgendarmen zu wenden:

»Du, Wilhelm, du biest doch ob en zou beim Kall metgefoarn, hoast de nie gefrocht, ob der iwwerhääpt en Führerschei hatt?«

»Nee, of däi Idee sei aich nie gekomme, der es doch schuu immer met dem Moduurroad „off Achse gewäese – doas Schlitzuhr!«


Das folgende Gelächter der „Honorationen“ war noch nicht recht verklungen, die Schnapsrunde, die der Dorfgendarm zu geben sich genötigt sah, noch nicht richtig getrunken, schon war der Feldschütz schon überall herumgewieselt und hatte diesen Joke zum Besten gegeben.
Die Stimmung hob sich, man tauschte Geschichte um den Verstorbenen aus, der Dorfkrug leerte sich bis auf die “Honorationen“, die noch einige Runden im Gedenken an den notorischen Schwoarzfoarer leerten.
Als sich abzeichnete, dass die Runde sich auflösen würde, hatte der Wirt mit seinem inzwischen von der Arbeit gekommenen Sohn Manfred geflüstert – und plötzlich war Motorengeräusch zu hören, der Sohn des Wirtes kam in den Motoradklamotten seines Vaters zur Tür rein und rief:

»Es Liesche hott mer geruffe, aich soll met dem Kall seim Moduurroad en leicht ogetrunkene Staatsdiener heemfoarn!«

Großes Gelächter, man strömte hinaus und Manfred hatte noch einige Zeit zu tun, denn es ließ sich keiner nehmen, auch mit dem Oldtimer nach Hause gefahren zu werden …

zuletzt bearbeitet 19.11.2021 23:13 | nach oben springen


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