Hoink, Latwerch, Wirschdmadde en dreckiche Klamotte
Hoink, Latwerch, Wirschdmadde en dreckiche Klamotte
in Kurzgeschichten jeglicher Art 25.11.2018 14:21von Harald.Herrmann • | 785 Beiträge
Hoink, Latwerch, Wirschdmadde en dreckiche Klamotte
(Honig, Pflaumenmus, "Bluthonig" und verschmutzte Wäsche) - was verbindet diese so verschiedenen Sachen miteinander?
Nichts?
Doch!
Der holzgeheizte Kessel, der je nach Möglichkeit an verschiedenen Stellen stand, bei manchen Bauernhäusern im Flur, bei anderen im Keller, in einer Stallecke, in einem Schuppen, offen im Garten oder Hof mit oder ohne Schutzdach und in dem Wäsche gewaschen wurde, Honig aus Zuckerrüben oder Obst gekocht, am Schlachttag vom Erhitzen des Wassers bis zum Fertigstellen der "Wirschdmadde" war der Kessel im Dauerbetrieb.
Bei uns zu Hause stand der Kessel mit eigenem Schornsteinanschluss in der Wasch- und Milchkammer.
Kammer ist eigentlich übertrieben, es war tatsächlich eine Kombination zwischen Keller, Badezimmer, Waschküche, Milchkammer, Schlachthaus und Sommerküche auf vier mal vier Meter - eher gut 3 Meter auf gut 3 Meter.
Es gab im Ort durchaus solche "Waschküchenmilchkammerschlachthaussamstagsbadestube" mir integrierter "Küchensitzecke", Küchenschrank und einem "Schesslong" (Chaiselongue) mit deutlichen Gebrauchsspuren, in der sich das Familienleben vom morgendlichen "Kaffeetrinken" bis zum abendlichen Zubettgehen der Kinder und dem Fernsehabend der Erwachsenen abspielte.
Hoink koche
Hoink (Honig) koche, das war wohl eine langwierige, dreckige Arbeit. In der Landwirtschaft nicht ganz so arbeitsintensiv wie im normalen Haushalt, in dem wirklich die in Stückchen/Schnitzen geschnittenen und gekochten Zuckerrüben bis um Gehtnichtmehr ausgepresst wurden, hat man im Bauernhof die festen Überbleibsel den Schweinen verfüttert, die dieses Festmahl offensichtlich genossen! Der ausgepresste Saft wurde nun im Kessel so lange gerührt, bis er die richtige Festigkeit erreichte. Auf dem Weg dahin schäumte das Ganze ständig ein wenig, dieser Schaum wurde abgeschöpft, kam auf ein Kuchenblech und wurde nach dem Erkalten zu Bonbons geschnitten. Diese verführerischen süßen Stücke schmeckten ähnlich den weichen "Storck" Karamellbonbons. War die Herstellung des "Hoink" abgeschlossen, alles in verschiedene Behältnisse verfüllt, stand wieder mal eine Grundreinigung des Kessels bevor, der von flinken Fingern schon erstaunlich "vorgesäubert" worden war. Nun ja, rund um Tätigkeiten am Kessel war - außer beim Wäsche waschen - der Begriff "von der Hand in den Mund" im genau gegenteiligen Sinne wie bei dem Sprichwort gang und gäbe.
Das an manchen Höfen übliche "Quoatschehoink" bzw. "Latwerch" koche, daran kann ich mich nicht erinnern, wohl aber daran, dass aus den Pflaumen und/oder Zwetschgen im Gussbräter auf dem Küchenherd ohne viel Rühraufwand auch ein exzellenter Honig entstand.
Schloachtfest
"Von der Hand in den Mund", das war für uns als Kinder die Devise beim "Schlachtfest". Wurden wir, als wir noch zu jung waren, noch vom verstörenden Betäuben und Abstechen des Schweins icl. dem wichtigen Auffangen des Blutes ferngehalten, so waren wir spätestens, wenn die Schweinehälften am Dreibock hingen und Teile davon noch warm vom Hausmetzger schon zerschnitten, gewürzt und gewolft wurden in der Küche Zeugen, wie die Fleischbeschau stattfand, alle zufrieden aufatmeten, wenn des Fleischbeschauers "in Ordnung" ertönte und die hoch hängenden Schweinehälften ihren Stempel und der Fleischbeschauer seine doppelten "Kümmel mit Bitter" erhielten. Als junger Bursche war ich da schon vorher beschäftigt gewesen, den Kessel anzuheizen und das Wasser zum Kochen zu bringen, um damit die Wanne zu füllen, in dem der Schlachtkörper mittels Ketten grob enthaart wurde, um dann auf eine Bock mit scharfen Messern quasi "rasiert" zu werden. Auch beim Aufhängen am Dreibock und dem Halbieren des Tieres wurde mit angefasst.
Nun ja, Wasser nachfüllen, Feuer in Gang halten undsoweiterundsofort, das alles weckte den Hunger auf die inzwischen von Oma mit viel Zwiebeln und dem richtigen Händchen für die Gewürze und eventuellen Kräutern zubereiteten und gebratenen "Schlachtfrikadellen", die zusammen mit dem Bauernbrot schon ein Geschmackserlebnis waren.
Die Schlachtung ging weiter, zuerst wurde das Fleisch für die Kochwurst im Kessel erhitzt, nach der Herstellung der diversen Würste die vor dem Räuchern noch zu kochenden in dieser noch ohne Gewürze wallenden Fleischbrühe gekocht. Dabei war es mir ein Vergnügen, zu sehen, wie mein sonst so sparsamer Opa die Würste mit dem Holzteil zum Wurstumrühren diese nicht zum Platzen bringen wollte, es auch schaffte, aber gegen Ende immer rabiater vorging, bis der Stoßseufzer kam:
»Endlich sei zwää kaputt!«
Der "Fond" für die "Wirschdmadde" war geschaffen.
Nachdem die Würste herausgehoben waren, setzte Betriebsamkeit ein.
Die Wurstsuppe im Kessel wurde in Behältnisse abgefüllt, indem sie einen Trichter durchliefen, in dem sich im oberen Teil das Wurstfett sammelte, was wiederum in Töpfen aufgefangen wurde.
(So ganz nebenbei lernte ich erste physikalische Regeln und Tricks: Am Auslauf des geräumigen Trichters, der an einem über dem Kessel befindlichen Haken hing, war ein Ventil. Der Trichter wurde mit der heißen Brühe befüllt und man ließ die Wurstsuppe in Behältnisse laufen. Kurz bevor dann das leichter Fett hätte kommen können, floss der Rest in den Kessel, wenn sich das Fett zeigte, wurde das separat aufgefangen.
So hatte man die fettfreie Wurstsuppe, die vor dem Austragen und/oder Abfüllen in Krüge noch eine mehr oder minder gut gefüllte Kelle Wurstfett mitbekam.)
Die Wurstsuppe kam zum Teil in Kannen und wurde - je nach einem eingespielten Hin und Her dergleichen Gaben - mit beigelegten Wellwürstchen von uns Kindern in die Nachbarschaft getragen.
Prüfende Blicke in den Kessel, bis dann die "Profis" sich geeinigt hatten, was noch im Kessel verbleiben musste.
Der Metzger schnitt aus einer mitgekochten Speckseite sehr feine Grieben, die schon in den Kessel kamen. Alle Behältnisse wurde säuberlich ausgekratzt, die Fleisch- und Wurstreste die gekochte Haut und anschließend gekochte Kartoffeln gingen noch mal durch den Fleischwolf, kamen dazu, noch zusätzlich durchgesiebtes Blut, was zurückgehalten worden war - und dann stand abwechselnd eine Person am Kessel und rührte, bis die Masse die richtige Konsistenz hatte, um in Töpfe abgefüllt zu werden.
In dieser Zeit herrschte schon in der Küche Hochbetrieb, das Schlachteessen musste ja vorbereitet werden, es gab:
Wurstsuppe mit angerösteten Brot/Brötchenwürfeln
***
Salzkartoffeln,
Sauerkraut,
Meerrettichsoße,
eine nicht so scharfe "Schlachtbrühe" für die Kleinen,
Wellfleisch,
Nierchen,
Wellwürstchen
Wer jetzt glaubt, dass sich der Tisch unter der Last der Fleischmenge bog, der irrt. Diese Menge war durchaus überschaubar und wurde von Oma so verteilt, dass jeder etwas bekam, keiner zu wenig - aber auch niemand zu viel.
Ach ja, für alle Erwachsenen, also alle, die schon konfirmiert waren und dem Angebot zustimmten, gab es einen Schnaps - für manche der den ganzen Tag bei teilweise echten Minustemparaturen arbeitenden war das schon der fünfte bis zehnte!
Wenn der Schlachttag herum war, hieß es im Haus noch einige Tage Fleischstücke und Wurst versorgen, Speck und Schinken salzen, die Räucherwürste prüfen, wann sie "in den Rauch kamen" und in der "Waschküchenmilchkammerschlachthaussamstagsbadestube" wurde eifrig geputzt, der Kessel innen wieder auf Hochglanz gebracht, denn - gerade nach dem Schlachten - der nächste Waschtag stand an.
Woaschdoag
Das war schon eine Knochenarbeit, die von den Frauen verrichtet wurde:
Wasser in den Kessel füllen, Anfeuern, die verschiedenen Wäschestücke aus dem kochenden bzw. dem langsam abkühlenden Wasser herausnehmen, auf dem gewellten Waschbrett schrubben, spülen, mit zwei Personen auswringen, in Wannen in den Garten schleppen, aufhängen undsoweiterundsofort.
Kein Wunder, dass daher alle angehalten wurden, die Kleidungsstücke mehrere Tage zu tragen, auch die Unterwäsche und/oder Socken.
Vor all den Mühen war schon ein Großteil vorab erledigt worden. Sortieren nach Art der Wäsche, sehr grober Schmutz wurde aus den trockenen Wäschestücken "ausgeschlagen", verschiedene Wäschestücke mussten vorab zum Lösen diverser hartnäckiger Flecken eingeweicht werden, bevor dann in geübter Reihenfolge alles gewaschen wurde.
Auch war im Garten schon alles hergerichtet, die von Obstbaum zu Obstbaum gespannten Wäscheleinen kontrolliert und eventuell ausgebessert, über Kreuz gebundene "Bohnenstangen" bereitgestellt, um die von schweren Wäschestücken durchhängenden Leinen wieder zu stützen und die Stelle abgesperrt, an der man Wäschestücke - wenn Kleinstkinder da waren, auf jeden Fall Windeln - in der Sonne bleichen zu lassen. Was dann folgte, war das Bügeln der Wäsche in der Küche, da die Bügeleisen auf der heißen Herdplatte "auf Temperatur gebracht" werden mussten, von den jeweils tätigen Frauen durch kurzes Anspucken getestet …
Noch ein Erlebnis zum Thema "Wäschewaschen":
Eine Erleichterung kam mit der Anschaffung einer Wäscheschleuder, die das Auswringen überflüssig machte, mir aber einen interessanten "Zusatzjob" bescherte. Irgendwie war diese Konstruktion der hochkant stehenden zylindrischen Neuanschaffung, bei der die Wäsche von oben in die Trommel eingefüllt und dann per Deckel verschlossen wurde, fehlerbehaftet, denn im Betrieb ging das Ding "auf Wanderschaft".
Schnellste Abhilfe:
Der jüngste Mann im Haus, der sich zum Waschen zu blöde anstellte, setzte sich auf das wanderwilige Etwas und fesselte es damit an den Boden oder - falls es zu sehr "bockte" - bugsierte es immer wieder an den vorgesehenen Standplatz zurück.
Wird weiter geschrieben …
|
Forum Statistiken
Das Forum hat 790
Themen
und
944
Beiträge.
|
Forum Software von Xobor | Forum, Fotos, Chat und mehr mit Xobor |