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Unverhoffte Begegnung

in 27.10.2021 21:42
von Harald.Herrmann | 784 Beiträge

Unverhoffte Begegnung

Da saß "dem Bettche sein Aujust" weil des Bettche "schnell noch woas erlediche musst" im Dachcafé und blätterte gelangweilt zum dritten Mal die FAZ durch. Ein Blick zur Uhr trug auch nicht grade zur Erheiterung bei, denn die Zeit wollte einfach nicht vergehen um an dem magischen Punkt anzukommen, von dem an er mit der Ankunft seiner Holden rechnen konnte, also eine halbe Stunde nach der verabredeten Zeit. Den auffordernden Blick der Bedienung missachtend nahm er nur einen Winzeschluck aus der Kaffeetasse und widmete sich wiederum, ganz großes Interesse heuchelnd, der Zeitungslektüre. Da fiel von hinten ein Schatten über ihn, er faltete sofort die Zeitung zusammen und wandte sich überrascht um, denn mit einem so frühen Eintreffen seiner Frau hatte er nicht gerechnet. Zu Recht, wie sich nach seinem Aufspringen und Umdrehen herausstellte!

Es lächelte ihn eine Dame von ca. Siebzig an, zog überrascht die Augenbrauen hoch, umkurvte den Tisch und ließ sich unaufgefordert ihm gegenüber nieder. Während er sie eher aus den Augenwinkeln musterte fiel ihm auf, dass er von ihr, man könnte sagen "durchgescannt" wurde.
Besonders lange verweilte ihr Blick auf seinen Händen, die völlig ohne (Ehe-) Ring waren. Dieser befand sich, seit er sich an der Bohrmaschine fast den Finger abgerissen hatte in der Nachttischschublade seiner Frau. Auch der Versuch, ihn per Goldkettchen an den Mann zu bringen war an seiner rabiaten Art sich der Oberkleidung zu entledigen, gescheitert. Er wirkte mit durchgebräuntem Ringfinger völlig ungebunden.

Die nette Dame lehnte sich zurück und und sprach ihn an:
»Hallo, ich bin die Irene und freue mich, ihre Bekanntschaft zu machen, auch wenn Sie mir ein bisschen jung erscheinen.«

Aujust war irritiert
’Indressant, met Sechzig als "jung"ogesproche se wern …’
und ohne eine Ahnung wie es weitergehen könnte schaute er ziemlich verdattert vor sich hin.

»Ich bin ja wohl ein bisschen spät, Sie haben vorhin ja schon ziemlich ungeduldig auf die Uhr geschaut, aber schön, dass Sie so lange ausgehalten haben. Hallo Bedienung, einen Kaffee, ach ja, trinken Sie auch noch einen, dann zwei bitte und mir noch eine Quarkschnitte.«

’No sowas, däi will mie en Kaffie ausgewweKaffee, seh aich so oarm aus?’

»Ach ja, nachher können wir einige Schritte Richtung Innenstadt gehen, Sie müssen mir unbedingt von Ihren Plänen erzählen, ich möchte mir von Ihnen ein genaues Bild machen, bevor wir uns ein bisschen näherkommen.«

’Läiwe Gott, woas es dann doas für en Film ab, mol gugge, ob häi irchendwuu "die versteckte Kamera" lääft.’

«Jetzt sollten Sie aber auch etwas von sich erzählen, Herr Schulze.«

’Herr im Himmel, däi hält maich für en "Herrn Schulze", wäi komm aich oostänich aus der Nommer eraus?’
In diesem Moment ertönte, engelsgleich, hinter ihm die Stimme vom Bettche:
»No Aujust, es hott ebbes gedauert, owwer Du hoast daich jo bestimmt gout innerhaale …«

»No ja, die meest Zeit huu aich Zeiring gelese …«

Er drehte sich zu seiner neuen Bekannten herum …
»denn als ich kam stand grade ein Herr auf, feuerte mit den Worten "die können Sie haben" die Zeitung auf den Tisch und einige Zeit später kamen ja Sie, und unterhielten sich mit mir.«

Vom Tisch aufstehend legte er kurz den Finger auf die Lippen, ein Lächeln, eine Verbeugung und am Arm seiner Frau verließ er eine verwirrte, leicht errötende Irene, Nachname unbekannt …

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