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Die Tour

in Kurzgeschichten jeglicher Art 08.03.2020 11:48
von Harald.Herrmann | 694 Beiträge

Die Tour

Die Tour, ein Beitrag von mir zur Anthologie Die Löffel-Liste: 13 bunte Lebensträume

Eine erweiterte Fassung …

Schon als Dreikäsehoch war ich ein Fan aller Gerätschaften, die irgendwie rollten. Das begann mit dem bunt bemalten Holzreifen, den man mittels eines Steckens antrieb und lenkte.
Die Steigerung dazu wer ein Holz(tret)roller, der mit Vollgummireifen in Größe eines kleinen Topfdeckels über mehr oder minder rundes Kopfsteinpflaster oder unbefestigte Dorfstraßen gejagt wurde.
Dem folgte ein von meinem Vater selbst gebautes Tretauto, der "blaue Mercedes"!
Ich denke, meine Faszination für einspurige Fahrzeuge rührt aus dieser Zeit, denn manches vom Vater selbst gebaute Fahrzeug wies kleine Mängel auf.
Bei der Planung für das Tretauto hatte er die Gegebenheiten glatt fehlinterpretiert, denn das Eigengewicht des Tretautos war zu hoch, die "Bienengasse", an der wir wohnten, zu steil und somit zu gefährlich zum einfach losrollen, grober Schotter rüttelte gewaltig an dem Fahrzeug und die einzige Bremse bestand schlicht und ergreifend aus den gegen den Boden gestemmten Schuhen des fahrenden Kindes …
… aber dass es beim Einlenken in die andere Richtung fuhr, das war für mich der Hauptgrund, das Fahrzeug zu meiden.

Mein Vater besaß übrigens eine recht gut eingerichtete Werkstatt für Holzarbeiten, die sich in einem Raum oberhalb des Pferdestalls befand, wo einige Maschinen mittels "Transmission" angetrieben wurden.

Diese "Transmission", das war eine eiserne Welle, die an der Rückwand der Werkstatt gelagert war, unter der Decke entlang - natürlich mittels eines zweiten Lagers - auf der Vorderseite nach außen führte wo sich unter einem Schutzdach eine "Riemenscheibe" befand. Wollte man diese Konstruktion zum Laufen bringen, musste der einzige Motor, der für alle Gerätschaften genutzt wurde, von zwei Personen auf einen vorhandenen Holzgestell dorthin verfrachtet werden und der trieb dann mittels eines Riemens die Welle an …

Im Inneren der Werkstatt waren auch vier Riemenscheiben befestigt, die diverse Maschinen antreiben sollten - aber meines Wissens war da nur eine Drechselbank mittels Riemen angeschlossen, auf der die Räder der Fahrzeuge entstanden. In dieser Werkstatt stand übrigens jahrelang ein angefangener "Bollerwagen" mit zwei fertigen Rädern, die mit recht kunstvoll gedrechselten Speichen richtig toll aussahen. Da aber – aus welchen Gründen auch immer – bei dieser Arbeit eines der eingespannten Holzstücke herausgesprungen war und ihn empfindlich am Kopf getroffen hatte verlief die Fertigstellung des Bollerwagens im Sande, besser gesagt, im Feuerloch des Werkstattofens, denn dort landeten Rohlinge wie auch die fertigen Teile eines Tages.
Nun ja, ähnliches passierte meinem Tretauto nicht, die Karosserie wurde abgenommen stand in der Gegend rum und wurde als Lager und Aufstellungsort für die Blumen des Bauerngartens genutzt.
Da mein Hinweis - dass man die Seilzuglenkung statt oben an dem "Lenkachsenrundstab" nur unten zu den Achslenkern führen musste, um eine funktionierende Lenkung zu haben - von den Erwachsenen nicht aufgegriffen wurde, habe ich das Ding sehr bald mit von mir funktionsfähig gemachter Lenkung und gemopstem "Schalensitz" eines pferdegezogenen Balkenmähers als ein seiner Zeit weit vorauseilenem Go-Kart mit Tretantrieb genutzt.

Meist ratterte ich mit dem Tretroller herum, versuchte mit Omas Fahrrad schon mal das Radfahren und bekam dann mein erstes Fahrrad.

Dass man als Landwirtssohn alle motorisierten Fahrzeuge weit vor der Zeit bewegte, zu der man das – nach bestandener Führerscheinprüfung – offiziell durfte, das führte dazu, dass ich nach Schulschluss als Dreizehnjähriger meist auf Opas Moped, einer DKW „Hummel“, als Fünfzehnjähriger dann (meine zwei Jahre jüngere Schwester war da schon meist mit dem Moped "auf Achse) mit Papas NSU "Fox" mal schnell über Feldwege zu den Äckern fuhr, auf denen gerade gearbeitet wurde. Mit Sechzehn bestand ich dann locker die Führerscheinprüfung, das passende Kleinkraftrad war ausgesucht, da überraschte mich Opa August mit einer großherzigen Geste ► er schenkte mir sein Moped!

Aus der Traum vom schnellen Zweirad, ich nahm notgedrungen bei Ausfahrten auf dem Sozius meines Kumpels Udo Platz und da ich kaum etwas trank wechselten wir die Plätze zur Heimfahrt. Da musste ich recht vorsichtig fahren, er schlummerte bei der Ankunft meist ein wenig.

Bald wurde auch der Führerschein für das Auto angepeilt, in den Sechzigern machte kaum jemand den Führerschein für das Motorrad, ich auch nicht, aus der Traum vom Zweirad-Touren-Fahren …
Über die Jahre hinweg fuhr ich Mopeds und Motorroller, durch die neuen Bestimmungen für Führerscheinaltinhaber stieg die Kubikzahl der möglichen Fahrzeuge auf stolze 125 ccm – und mit Erreichen des Rentenalters kam der Knaller, man konnte mit einigen Fahrstunden diese Grenze ändern auf Motorräder mit bis zu 48 PS!

Als ich dies in der Tageszeitung las habe ich meiner Familie mehr zum Spaß erklärt, dass mich das „jucken“ würde, im wahrhaft gesetzten Alter noch einmal mit dem Motorradfahren zu beginnen.
Die Reaktion meiner drei Damen war lediglich: „Na, dann mach`s doch!“
Gesagt, getan, alles ging locker über die Bühne und Udo Jürgens Lied „Mit 66 Jahren“ bekam für mich eine völlig neue Bedeutung!

Mein Freund Peter, der das alles mitbekommen hatte, meinte trocken:
„Zum nächsten Skatabend bringst du deinen neuen Führerschein mit – und stecke genug Geld ein, der muss begossen werden …“
Als ich zum Skatabend in der Ratsschänke eintraf stand davor ein Motorrad aufgebockt, das wehmütige Erinnerungen wachrief. Hatte doch mein Vater sich nur die NSU "Fox" leisten können, so war die "Max" für ihn immer ein Traum geblieben – und genau dieses Fahrzeug stand nun da!

Ganz in Gedanken stand ich vor diesem Fahrzeug, das nicht nur das kraftvollste Motorrad seiner Zeit in der entsprechenden Klasse war, sondern mit dem vollen Viertaktsound dies auch noch akustisch unterstrich, als die Stimme von Peter hinter mir erklang:
„Na, möchtest du mal eine Runde damit fahren?“
„Ich, eine Runde, liebend gerne, aber wie, ich kann den Besitzer doch nicht einfach fragen …“
„Frag doch einfach, darf ich dieses Motorrad mal fahren?“
„Wen denn?“
„Na den Besitzer.“
„Ich sehe hier aber Niemanden.“
„Niemanden?“
„Ach du Sch…e - DU ?!“
„Ja, ich! Du weißt doch, dass ich die Pflege von meinem alleinstehenden Onkel Karl, dem Bruder meiner Mutter, übernommen habe. Der war doch in seiner Jugend ein bekannter Motorradrennfahrer bei NSU und hatte noch zwei Motorräder in der Garage. Er hat mir ja schon vor fünfzehn Jahren sein Haus überschrieben, mit Nießbrauch für ihn bis ans Lebensende. Nun musste er ins Pflegeheim, es ging nicht anders. Ich habe ihm versprochen, dass ich die Ausflugsfahrten mit seiner BMW mit Seitenwagen beibehalten werde, solange es das Wetter zulässt. Da es sehr sinnvoll ist, wenn noch eine zweite Person mit dabei ist habe ich ein Abkommen mit ihm getroffen, das ich die nachher erzähle. Jetzt fahre erst mal ne Runde, ich will sehen, wie du mit dem Fahrzeug klarkommst, das ist schon ne andere Fahrerei als mit den modernen elektronikgespickten Leisetretern.“
„Und unsere Skatkollegen?“
„Die warten, sie drücken sich jetzt gerade die Nasen an den Fenstern der Schänke platt. Hier, mein Helm, der passt dir auch, wir sind ja beide ausgeprägte Dickköpfe!“

Nun durfte ich also einige Runden um den Block drehen, zum Ende der vierten schwenkte Peter eine Zielflagge und meinte:
„So, ich bringe das Geschoss nach Hause, morgen reden wir dann weiter über eventuelle Modalitäten der Fahrzeugübernahme.“

An diesem Abend verlor ich alle Runden beim Skatspielen, das war mir aber egal, ich fieberte dem nächsten Tag entgegen.
Als ich nachts zu meiner Frau ins Bett krabbeln wollte schnupperte sie nur kurz und brummelte:
„Ich hab dir im Wohnzimmer auf dem Sofa das Bett gemacht, Peter hat, als du kaum das Haus verlassen hast, angerufen und gemeint, das wäre besser! Seine Frau machte das Gleiche übrigens für ihn auch hergerichtet.“

Am nächsten Tag trafen wir uns bei Peter, wir saßen zu viert zusammen und Peter ließ uns wissen, was er und „Onkel Karl“ ausgemacht hatten …
Die Motorräder waren schon mit der Hausübernahme offiziell in Peters Eigentum übergegangen, als Halter fungierte weiterhin sein Onkel, auf den auch die extrem niedrigen Versicherungen weiterliefen.

Das Angebot an mich: Ich wurde gegen Zahlung von 1000.00 € stolzer Besitzer der NSU „Max“, einem Fahrzeug, das in diesem Zustand wie das von mir gefahrene locker den mindestens fünffachen Wert hatte. Dafür erklärte ich mich bereit, an mindestens 15 Wochenenden mit Peter und dessen Onkel kleine Touren zu fahren und dabei Peter in der Versorgung des Onkels, speziell beim Umsetzen vom Beiwagen in den mitgeführten Rollstuhl und umgekehrt, zur Hand zu gehen.

Peter meinte:„Das wird nicht einfach, und manchmal wünschst du dir, du hättest dich nicht darauf eingelassen, aber glaube mir, es ist ein tolles Gefühl, die Dankbarkeit in den Augen meines Onkels zu sehen! Ach ja, natürlich geht nach dem Ableben meines Onkels die Versicherung an dich, das lassen wir gleich festschreiben!“

Die Ausfahrten mit „Onkel Karl“, er legte Wert darauf, dass ich ihn auch so anredete, waren schon etwas ganz Besonderes. Je nach Wetterlage fuhren wir auch größere Strecken, in deren Verlauf besonders motorradgeeignete und landschaftlich wunderschöne Abschnitte versteckt waren, meist mir Bezug zu seiner früheren Rennfahrerlaufbahn und immer mit einem besonderen Gasthaus. In vielen war er jahrzehntelanger Stammgast gewesen und meist setzten sich alte Bekannte dazu. Bei einer Kurzrast mit einem anständigen regionalen Essen erklärte er:

„Jungs, wisst ihr was, ich habe mein ganzes Leben bedauert, dass ich keine Kinder und Enkel hatte. Frauen, die hatte ich genug, aber nie war die richtige dabei, die mir meine kleinen Freiheiten gelassen hätt. Den Rennfahrer wollten alle kennenlernen, um sich mit ihm zu zeigen, aber dann sprachen sie von Heirat, sesshaft werden, anständigem Beruf, kurzum, sie wollten mich für sich allein. Nun ja, keine Kinder zu haben, das ist für mich inzwischen kein Thema mehr. Denn wenn ich sehe, wieviel der anderen Altersheimbewohner kaum oder keinen Besuch bekommen und wie oft ich mit euch unterwegs bin, da kann ich nur sagen, ihr seid was Besseres wie eigene Kinder.“

Peter räusperte sich kurz und kam dann mit einem Vorschlag heraus, der mich betraf und mir die Möglichkeit eröffnete, ohne schlechtes Gewissen zwei, drei Ausfahrten zu „schwänzen“ und in dieser Zeit eine eigene Motorradtour zu planen. Er instruierte uns so nebenbei, dass sein Sohn Alex im Sommerurlaub am Haus werkeln wolle und sich freuen würde an den Sonntagen mit ihm und Onkel Karl einige Touren zu fahren. Da er keinen entsprechenden Führerschein besaß hatte für diese Zeit beim Trike-Verleih in Niederzell ein Fahrzeug geordert.

Onkel Karl war begeistert und wandte sich an mich:
„Du hast doch mal erzählt, dass du gerne eine Tour machen würdest über Berlin, Breslau, Dresden, Prag, Krems, Salzburg und München zurück. Weißt du was, du kannst gerne die Beiwagenmaschine nehmen, wenn Alex mit einem Trike kommt, da wollte ich schon immer mal mitfahren …“
„Nee, lass mal, meine Frau lässt mich da allein fahren, die ordert höchstens eine Busreise nach Breslau mit Doppelzimmer, um mich dort zu treffen und das Dorf zu besuchen, wo meine Mutter aufgewachsen ist.Und die Beiwagenmaschine hat auch einige PS zuviel für meinen erweiterten Führerschein.“

Peter grinste kurz und warf ein:
„Auch wenn du mit Alex auf dem Trike unterwegs bist, ich muss mit dem Gespann dabei sein, denn an dem befindet sich die Halterung für deinen Rolli und die ganze Equipage für deine Versorgung unterwegs.“

Peter schob mir noch einen Zettel zu, auf dem der Zeitraum notiert war, zu dem sein Sohn sich angemeldet hatte, dann brachen wir zur Heimfahrt auf.

Erst zu Hause wurde ich gewahr, dass dieses Angebot an mich wohl von langer Hand vorbereitet gewesen war, hatte ich meiner Frau doch lange genug in den Ohren gelegen, dass ich doch einmal den Geburtsort meiner Mutter besuchen wollte. Das alles auch, um ihr eventuell einige Bilder mitzubringen, je nachdem, wie es dort aussah und wie nett – oder weniger nett – die jetzigen Bewohner waren.
Sie hatte mit Peters Frau Elvira schon Kataloge gewälzt und eine Fahrt gefunden, bei der der Bus am Mittwoch, dem 20.August 2013 in Breslau ankommen würde, so dass Peter die ersten Tage mit dem Gespann mit nach Polen fahren, wir mit unseren Frauen übernachten und den Donnerstag verbringen konnten und sich dann die Wege wieder trennten, die Damen weiter mit dem Bus, Peter nach Hause und ich die Tour fortsetzen …

Die Planungen liefen, Onkel Karl war mit Feuereifer dabei, ließ alte Beziehungen spielen, die Übernachtungen wurden gebucht, die Abreise rückte näher.
Eigentlich hätte ich zur Tour mit Onkel Karl schon nicht mehr mitfahren sollen, da aber gutes Wetter vorhergesagt war fuhr ich noch mal mit, um mich dann nach dem Mittagessen abzusetzen, von den guten Wünschen meines Wahlonkels begleitet.

Montagmorgen, so gegen Neun, der typische Ton kündigte Peters Ankunft an, er fuhr mit Schwung auf den Hof und ich traute meinen Augen kaum, im Beiwagen saß fröhlich winkend Onkel Karl.
Peter schaute ein wenig bedröppelt und murmelte:
„Er hat uns alle verarscht, die Fahrt bis Breslau hatte er fein säuberlich für sich mitgebucht und mir dann gestern Abend, als ich ihn absetzte, sein Gepäck bringen lassen, ich habe drei Stunden gebastelt, bis ich alles gut genug untergebracht hatte – inklusive Rolli.“

So starteten wir dann in gewohnter Zusammensetzung und einer Menge Gepäck aus der hessischen Bergwinkelstadt Schlüchtern zuerst mal Richtung Thüringer Wald/Rennsteig, um dann über Erfurt – dort leisteten wir uns pro Person einen der legendären kniehohen "Eisbecher" - nach Berlin weiterzufahren.
Besonders angetan waren wir alle Drei vom Potsdamer Platz, hatte doch jeder von uns in den Siebzigern dort mal auf der Aussichtsplattform gestanden und auf die Mini-Sandwüste vor der Mauer mitten in der Großstadt gestarrt. Und jetzt - rundum das volle Leben!

Weiter ginge es, Onkel Karl dirigierte – und plötzlich standen wir vor dem Adlon.
„So, Jungs, das ist unsere Bleibe für heute Nacht, ich ziehe mich nach dem Abendessen zurück, ihr könnt machen, was ihr wollt, Peter, du solltest für alle Fälle das geladene Handy dabei haben.“

Wir verzichteten auf größere Aktivitäten und genossen noch zwei „Absacker“ an der Lobby Lounge & Bar.
Nach einem reichhaltigen Frühstück starteten wir zuerst mal Richtung Westen, um noch einmal über die alte AVUS-Rennstrecke zu fahren, auf der Onkel Karl Rennen gefahren war - und mein Neffe Mitte der Achtziger mit einem von mir zurechtgebastelten Fahrrad beim Wettbewerb „Schrott wird flott – verrückte Räder“ des ADAC in seiner Klasse – einspurig, einsitzig – den zweiten Platz errungen hatte.

Die ausgearbeitete Route führte abseits der Fernverkehrswegen durch interessante Landschaften so nach Breslau, dass wir gegen Abend müde eintrafen – und natürlich wieder im besten Hotel der Stadt abstiegen. Der Portier, der uns mit sicherem Blick sofort als Deutsche ausgemacht hatte, begrüßte uns in breitestem schlesisch eingefärbtem Deutsch.

Da er sich sofort rührend um „Onkel Karl“ kümmerte, ihn auch gleich so nannte, ließ dieser ein üppiges Trinkgeld springen und fragte ihn, ob er Schalkau kenne.
„Schalkau? Da bin ich geboren und wohne noch dort. Wenn sie hinwollen, ich kann morgen freinehmen und wir fahren in der Früh los, ich bin mit dem Roller hier, der läuft auch gut Hundert …“
„Na prima, dann bis morgen früh …“
Mir wurde erst einen Moment später klar, dass ich dies selbst gesagt hatte.


Es war fast zehn Uhr, als wir Schalkau erreichten und Tomas zuerst sein Haus ansteuerte, um seiner Mutter Bescheid zu sagen, wen er da im Schlepp hatte.
„Mutter, hier ist jemand, dem seine Mutter kommt von hier.“
„Jesses, von hier, wie hat den deine Mutter geheißen!“
„Mohnhaupt, Edith Mohnhaupt“
„Die Edith, mein Gott, ich bin mit Else in eine Klasse gegangen, leben die noch?“
„Die beiden ja, nur die ältere Schwester ist schon verstorben …“

Sie deutete nach schräg gegenüber:
„Dort haben sie gewohnt, wir können mal hingehen.“

Und so ging es weiter, wir besuchten das Elternhaus meiner Mutter, lernten die Bewohner kennen, ich erstellte fleißig "Kurzvideos", auch eine Botschaft von "Anna, Korbmachers Anna" und vor lauter Herzlichkeit der Umstehenden hätten wir beinahe die Rückfahrt verpasst. Wir mussten uns beeilen, um den Bus früh genug zu treffen.
Vor dem abendlichen Programm hatten sich unsere Frauen abgeseil.

Wir saßen in einem Lokal, das uns Tomas empfohlen hatte, da es dort alte schlesische Spezialitäten gab und die Wirtsleute deutsch sprachen.
Wir ließen uns Braten mit Kartoffelklößen schmecken, die Klöße genau so, wie ich sie von Oma kannte, zur Rolle geformt und dann schräg geschnitten. Als ich zum Schluss meinte,
„da gab es zum Abschluss ‘nen Schnaps, den Opa Koks nannte“,
da lächelte der Wirt und brachte sieben Schnapsgläser und eine Flasche hochprozentigen Korn, seine Frau kam mit einem Tellerchen, auf dem einige Würfelzucker und Kaffeebohnen lagen. Er zwinkerte mir zu und meinte: „Jetzt zeigen wir denen erst mal, wie das geht.“Er schüttete zwei Gläser voll, wie nahmen uns je ein Stück Zucker und eine Kaffeebohne, das wurde zerkaut und mit dem Schnaps heruntergespült.
Es blieb nicht bei einer Runde – und bezahlen mussten wir nur das Essen und die anderen Getränke, denn er meinte:
„Das mit dem "Koksen", das macht man nur unter Freunden – und unter Freunden muss man nicht dafür zahlen!“

Nun ja, am nächsten Tag klinkten wir uns bei der Stadtrundfahrt mit ein, es hatten sich von den Fahrtteilnehmern einige für diesen Tag Besuche vorgenommen wie wir gestern, es folgte noch ein Abend bei unseren Freunden, aber mit nur einer Schnapsrunde, obwohl wir immer wieder genötigt wurden, aber am nächsten Tag sollte es mit klarem Kopf weitergehen.

Peter und Karl starteten als erste …

… dann bestiegen die Damen ihren Bus und entschwanden …

… und ich fuhr los, erstes Ziel Dresden, das mir eine Vorbeifahrt an den bekannten Bauwerken wert war, die ich Jahre vorher schon mit Frau und Schwiegermutter eingehend besichtigt hatte, um dann nach einem gepflegtem Imbiss an einem von LKM-Fahrern bevorzugten Stellplatz einigen Zweiradfans unter denen das Fahrzeug zu zeigen und die Geschichte zu erzählen, wie ich dazu gekommen war …

Weiter ging es in die sächsische Schweiz, wo ich in unserer Stammpension der letzten zwei Urlaube die Übernachtung im voraus schon fest gebucht hatte.

Vor meinem nächsten Tagesziel, Krems an der Donau, ließ mich von Prag beeindrucken, machte am Zielort bei der langjährigen Brieffreundin meiner Frau kurz Rast, um ein Paket mit diversen Sachen abzugeben, eines in Empfang zu nehmen und – natürlich – im Ort einige Flaschen Marillenschnaps zu kaufen und im von ihr empfohlenen Hotel mit einem Restaurant, das für regionale Spezialitäten bekannt war, zu schlemmen und zu übernachten.

Wo ich auch übernachtete, in den Gaststätten kam ich immer sehr schnell mit Ortsansässigen ins Gespräch, in der Regel über das Motorrad, entweder hatten sie/der Vater/der Onkel selbst ein solches oder ähnliches gehabt, oder sie fuhren aktuell eines der moderneren, waren aber von der alten Maschine begeistert.

Nun rückte das Ende der Fahrt näher und ich war ehrlich gesagt froh, wieder nach Hause zu kommen.

Große Freiheit hin, große Freiheit her, ich sehnte mich zurück in meinen gewohnten Trott, zu Leuten, die ich kannte, liebte und – das stellte ich immer deutlicher fest – auch brauchte.

So gesehen war die Reise ein Riesenerfolg, ich hatte mir einen Traum erfüllt, freute mich, wieder da zu sein, wo ich hingehörte und sehnte den nächsten Sonntag herbei, um die Mutter zu besuchen und ihr von allem zu erzählen und alles zu zeigen!

zuletzt bearbeitet 13.03.2020 00:43 | nach oben springen


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