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Hungerzeit in Finnland

in Mir wichtige Beiträge 10.12.2019 09:13
von Harald Herrmann | 150 Beiträge

Hungerzeit in Finnland

Hoch im Norden zwischen Finnlands Mooren
lag das Gütchen eines alten Bauern.
Fleißig brach sein Arm den kargen Boden.
Und zum Himmel flehte er um Wachstum.

Er zog Gräben, pflügte und säte.
Als der Lenz das Feld vom Schnee befreite,
schwemmte er die Hälfte der Saat mit.

Als der Sommer kam mit Hagelschauern,
lagen viele Halme auf dem Boden.
Als der Herbst kam, nahm die Kälte den Rest.

Die Frau des Bauern rief verzweifelt:
„Oh wir armen, ganz verlassenen Menschen!
Not ist bitter, doch verhungern ist schlimmer!“

Aber er nahm ihre Hand und sagte:
„Prüfen will der Herr uns, nicht verstoßen!
Misch zur Hälfte Rinde in das Brotmehl.

Ich will doppelt fleißig Gräben ziehen
und zum Herrn flehen um Wachstum.“
Da buk die Frau zur Hälfte Rinde in das Brot.

Doppelt fleißig zog der Alte Gräben,
tauschte Schafe gegen Korn und säte.

Als der Lenz das Feld vom Schnee befreite,
schwemmte er diesmal nichts von der Saat mit.
Als der Sommer kam mit Hagelschauern,
lag jedoch das halbe Feld zerschmettert.
Als der Herbst kam, nahm die Kälte den Rest.

Die Frau des Bauern klagte:
„Oh, wir armen, ganz verlassenen Menschen.
Lass uns sterben, denn Gott hat uns verstoßen.
Tod ist bitter, aber schwerer ist es zu leben!“

Doch der Bauer nahm ihre Hand und sagte:
„Prüfen will der Herr uns, nicht verstoßen!
Mische doppelt Rinde in das Brotmehl.
Ich will doppelt lange Gräben ziehen
und zum Herrn flehen um Wachstum.“

Die Frau buk doppelt Rinde in das Brotmehl,
doppelt lange Gräben zog der Alte.
Er tauschte Kühe gegen Korn und säte.

Als der Lenz das Feld vom Schnee befreite,
schwemmte er auch diesmal keine Saat mit.
Als der Sommer kam mit Hagelschauern,
schlug er keinen einzigen Halm zu Boden.
Und im Herbst verschonte der Frost den Acker
und ließ ihn stehen im Gold bis zur Ernte.

Da fiel der Bauer auf die Knie und sagte:
„Prüfen wollte Gott uns, nicht verstoßen!“
Und die Frau sank auf die Knie und sagte:
„Prüfen wollte Gott uns, nicht verstoßen!“


Und voll Freude bat sie den Alten:
„Nun greife stark und froh zur Sense.
Leichte Tage sind gekommen. Jetzt ist’s Zeit,
die Rinde wegzuwerfen und das Brot aus reinem Korn zu backen..“

Da nahm der Bauer die Hand der Frau und sagte:
„Frau, Frau, nur die bestehen die Prüfung,
die den armen Bruder nicht vergessen.

Misch zur Hälfte Rinde in das Brotmehl,
denn erfroren ist des Nachbarn Ernte!


(es dürfte sich um ein - übersetztes - Gedicht von Johan Ludvig Runeberg handeln.)

zuletzt bearbeitet 10.12.2019 09:14 | nach oben springen


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