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  • STURMREIFDatum13.02.2020 12:35
    Thema von harrymen im Forum Rezensionen

    [[File:COSTURMREIF-1.jpg|none|auto]]„Das (r)evolutionäre Subjekt. Eine meta-psychologische Studie über Aufklärung, Agitation, Aufbruch“ - Günter Rexilius

    STURMREIF

    Buchtipp von harrymen

    „Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein“, schrieb Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) im Faust, der Tragödie erster Teil, 1808. Und im Jahr 1834 formulierte der Medizinstudent Georg Büchner in seinem Pamphlet „Der Hessische Landbote“: „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ Er prangerte die Verschwendungssucht der Reichen und Mächtigen an – und rief die arme Landbevölkerung zum Umsturz auf. Im Jahr 2020: Wiederholt sind die Menschen und der Planet Erde trotz der Lehren aus zwei Weltkriegen in großer Gefahr. Es droht die Selbstzerstörung. Neben unzähligen aufrechten gesellschaftskritischen Schriften mahnt der Autor Günter Rexilius in seinem Sachbuch „Das (r)evolutionäre Subjekt“ zur Gegenwehr gegen ein „global tödliches kapitalistisches System“ - „zur Schaffung einer lebenswerten Welt“.

    Der Ausgangspunkt seiner tiefgründigen Erkenntnisse – das sieht man bereits auf dem Cover mit der Wortfügung (r)evolutionär sowie an der Grafik – steht der Mensch mit seinem Denken, Fühlen und Wollen. Mit seiner gewordenen Größe. Die Inhaltsangabe weist uns dabei den Weg - u.a. zu solchen Begriffen wie Menschenbild, Erkenntnisprozess, Phylogenese, Axiom, Anthropologische Konstanten, Dialektik, Tätigkeit, Psychisches, Gefühl, Motiv, Interessen usw.. Für interessierte und auch für nicht wissenschaftlich gebildete Leser bietet sich das unter D bezeichnete Kapitel an, in dem es um gesellschaftliche und individuelle Rahmenbedingungen gesellschaftlicher Verhältnisse geht. Im Kapitel F richtet der Autor den Blick nach vorne und bietet bedenkenswerte Lösungen an.

    Das Subjekt auf´s Podest

    Der Autor sieht den größten Nutzen des subjektpsychologischen Projektes darin, „wenn es dazu ermuntern könnte, die Trennung zwischen Persönlichem und Politischem ganz selbstverständlich aufzuheben, sie aber zugleich als Quelle von Kraft und Entschlossenheit zu bewahren – also wirklich Subjekt zu sein.“ (S. 11) Es gehe darum, Pfähle und Zäune zwischen „dem evolutionären Subjekt am Anfang der Menschwerdung“ (…) „und dem revolutionären Subjekt hier und heute“ einzureißen, „wenn es noch den Hauch einer Chance haben will, den Erdball auch künftig zu bevölkern“. (S. 14) Das Buch will aufrütteln und anstoßen. Subjekte können selbst ihr Leben und ihre Lebensverhältnisse gestalten, aber sie müssen davon wissen. (S.23) Erkennen bedeutet, „sich in das wirkliche Leben, in das Zusammenspiel von Individuum und Gesellschaft, einzufädeln, sich hineinzudrängen“. (S. 57) Letztendlich will das Buch in der „Tradition kritischer, aufrührerischer Wissenschaft... Grenzbefestigungen im Denken und Handeln überwinden“. (S.272) Um dem Nachdruck zu verleihen, wagt der Autor “eine anthropologische Vermessung des menschlichen Lebens, um sein Subjekt möglichst genau verorten zu können.“ (S. 313)

    Das Subjekt in der Sackgasse

    Bereits im Vorwort bringt es Günter Rexilius auf den Punkt: Es gehe um den Kampf „gegen kapitalistisch-neoliberale Vernichtungsstrategien“, gegen Wachstumswahn, imperiale Lebensweise, Extraktivismus, Externalisierung - wie aktuelle soziologische Begriffe lauten. In Fragen der Bildung greift er (S. 20/21) das reduzierte Dasein der Menschen an, die fachidiotische Verschulung der meisten Studiengänge, die „schmalspurigen Zugänge zu Erkenntnissen über das eigene Leben“. Die Dramatik bestehe darin, dass die Menschen diese Sachlagen zwar spüren, ihnen die Gründe „aber nicht bewusst sind“. So bekomme man keine Impulse „für veränderndes Handeln“. Auf Seite 227 richtet er sein Augenmerk auf die Inbesitznahme emotionaler und kognitiver Landschaften durch die Computerisierung des Alltags. „Die Entfaltung persönlicher Ressourcen wird eingeschränkt, weil sie selbst sich immer vollständiger der Warenform anpassen müssen, und soziale Beziehungen verkümmern, Sprach- und Beziehungslosigkeit verbreiten sich, weil auch das menschliche Miteinander die Form von Waren enthält oder sich an käuflichen Vorgaben und Modellen“ - verstärkt durch die Medien - orientiert. „Auf Jahrtausende zurück geblickt“, so schreibt der Autor, „hat sich die kollektive Bindung der Menschen untereinander (…) immer weiter in das sich abschottende Ich zurückgezogen.“ (S. 299)
     
    Das Subjekt an der Leine

    Es sind keine Neuigkeiten: Das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse hält jede Menge Werkzeuge in der Hand, um seine Untertanen im Zaum zu halten. Dazu zählen der Staat, die Familie, die Institutionen, die Wissenschaft, die Justiz, die Ökonomie, Politik und Ideologie, die Polizei, das Militär. Nicht zu vergessen die Medien. So wird die BRD für viele „unmittelbar als Sozialstaat erfahrbar“. (S. 249) Siehe Arbeitslosen- und Krankenversicherungen, Kindergeld und Kindergärten, ärztliche und psychotherapeutische Versorgung. Doch im Zuge der Verunsicherung, sprich auch Zukunftslosigkeit der kapitalistischen Grundlagen, politischer Unruhen oder Proteste „entwickelt sich der Staat zum Sicherheitsstaat“. (S. 242) Mehr Kontrolle, mehr Überwachung und Disziplinierung, mehr Gewalt. Es geht um die Sicherstellung der Macht, der Privilegien, des Reichtums.


    Den Menschen erscheint dies als Naturzustand, als unveränderbar. Auf Seite 228 bezeichnet der Autor zum Beispiel das Fernsehen, Computer und soziale Medien als Transportmittel mit banalen und beiläufigen Inhalten zur intellektuellen Verarmung und psychischen Abstumpfung. Nicht nur dies: An die Stelle des möglichen Wissens über gesellschaftliche Zusammenhänge - so auf Seite 237 - trete eine tiefe Gläubigkeit. Der Bazillus: Alles sei naturgegeben, Gottgewolltes, das So-Sein. Wenn die Menschen dem „Glauben an die Natürlichkeit von gesellschaftlichen Verhältnissen auf den Leim gehen“, berauben sie sich ihrer subjektiven Kräfte. (S. 238)

    Dass Vollstrecker der Macht, wie die Intelligenz und die Mittelschichten nicht in die “unzumutbar und würdelos erkannten Lebensbedingungen eingreifen wollen“, sei verständlich, denn da überschreiten sie Grenzen „und begehen möglicherweise Regelverletzungen, die nicht nur ihre gesellschaftliche Rolle infrage stellen, sondern auch Irritationen und Unsicherheiten in ihre individuelle Existenz tragen...“. Ihnen fehlt in letzter Konsequenz der „lange Atem“. (S. 330) Schließlich sei es nicht förderlich - so auf Seite 268 - zu laut zu bellen oder gar zu beißen, wenn man „irgendwie dazugehören will“. Seiten 269/270: Erst der Blick über den Zaun des akademischen Gettos ermögliche (…) Einblicke in die „gesellschaftlich-alltägliche Ferne“. Um die Flucht aus der Wirklichkeit, um Selbstbetrug geht es, wenn Menschen durch Selbsterfahrung, Therapie, Meditation versuchen, zu „aufmerksamen und empfindsameren emotionalen Reaktionen“ zu kommen. Allerdings münden sie nicht „in soziale oder kollektive Projekte oder Aktivitäten, die über ökonomische und politische Einschränkungen hinausführen“. (S.345)

    Nicht nur Macht erhaltend - so der Autor - wirke die NATO. Mehr und mehr sei sie zuständig „für die Absicherung von Märkten und Rohstoffquellen und für kriegerische Drohungen gegen Konkurrenten auf dem Weltmarkt oder hegemoniale Ansprüche. Der demokratischen Kontrolle entzogen seien nicht nur das Militär, sondern auch die Geheimdienste. (S.233)

    Das kenntnisreiche Subjekt

    Man stelle sich einen Menschen am Rande eines großen Sees vor, der da um Hilfe ruft: „Hallo, wer hört mich, ich stehe hier und weiß nicht weiter.“ Zum Handeln, zu jeglicher Tätigkeit gehören nicht nur Erfahrungen sondern auch Wissen, Bildung, Orientierung. Diesem Problem widmet sich der Autor, warnt allerdings davor, über unüberbrückbare Brücken zu gehen, die von wahren Erkenntnissen ablenken wollen. Meditation, Yoga, Sehnsucht nach Mystik seien Versuche – für´s persönliche Wohlbefinden zwar nützlichen -, „Zugang zu den eigenen Gefühlen zu finden, wo sie unterdrückt sind“. Wenn der gegenständliche Bezug geleugnet wird, erweisen sie sich als Sackgassen. (S. 306)

    Als Hindernisse für die Erkenntnisfähigkeit stellen sich auch Fakten und gesammelte Daten als Chiffren der Wirklichkeit dar, „die zumeist nicht mit historischen und gesellschaftlichen Hintergründen abgeglichen werden“. (S. 58) Dagegen bedeute der Prozess des Erkennens - so Günter Rexilius auf Seite 57 - „sich in das wirkliche Leben, in das Zusammenspiel von Individuum und Gesellschaft, einzufädeln, sich hineinzudrängen“. In diesem Zusammenhang richtet der Autor (Seite 197) bewusst auf die weltbekannte Feststellung von Karl Marx, „nicht das Bewusstsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewusstsein“. Das besage: aus dem Prozess der Menschwerdung gehen Denken und Bewusstsein hervor. Die Substanz der kapitalistischen Produktionsweise - so lesen wir auf Seite 31 - habe die Mechanismen ihrer umfassenden gesellschaftlichen Durchsetzung und die in ihnen angelegten menschenzerstörenden Folgen überdauert, „sie sind verfeinert worden, raffinierter, bedenkenloser und in ihren Auswirkungen auf das alltägliche Leben in einem Ausmaß horrender, das dem Vorstellungsvermögen immer wieder davonläuft“.

    Deshalb gilt dieser Grundsatz der erkenntnistheoretischen subjektiven Psychologie - so der Autor auf Seite 223: „Das Wesentliche am Menschen, also auch an seinem psychischen Geschehen, ist das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse...“ Er schlussfolgert, marxistisch fundierte Analyse und Kritik haben eine bemerkenswerte Aktualität. Das psychoanalytische Wissen und die Geschichte des Marxismus seien unverzichtbar, „um ökonomische Entwicklung, politischen Alltag und ihre Folgen für die Menschen zu verstehen“. (S. 25) Für den Erkenntnisprozess sei es bedeutsam, dass sich die ökonomischen Strukturen, die gesellschaftliche Macht „in einer Klassengesellschaft ereignen“. (S. 229) Hier bildet das Privateigentum an Produktionsmitteln „die definitive Demarkationslinie zwischen den Klassen“. (S. 230) Vor diesem Hintergrund ist es durchaus verständlich, wenn der Auror (Seite 219) davor warnt, „das individuelle vom gesellschaftlichen Sein abzukoppeln, was ja tagtäglich geschieht. Dann machen sich Unlust und Erstarrung breit, psychotische Zustände, bedrohliche oder verkrüppelnde äußere Bedingungen, die im Individuum Unheil anrichten können. (S. 219) Auf Seite 293 lesen wir den so grundlegenden Satz: Der „Konflikt zwischen Profiteuren und Profitopfern ist weder nebensächlich noch ist er gelassen auszuhalten, kein Kompromiss hilft ihn lösen: Er ist antagonistisch.“

    Das Subjekt im Aufbruch

    Jeder aufmerksame Leser wird nunmehr Lösungswege erwarten, wie „die Wurzeln von Zuständen und Verhältnissen ausgrabende theoretischen Kenntnisse“ in die Köpfe transportiert wird. Der Autor schreibt von der notwendigen schöpferischen Widerspiegelung der objektiven Welt (S. 113), vom analytischen Zugriff auf die Wirklichkeit (S. 143), von bewussten Menschen, die ihre eigenen Lebensumstände verändern (S. 198), von der Überwindung des falschen, des begriffslosen Bewusstseins (S.203), von der radikalen Umwälzung der ökonomischen und politischen Verhältnisse, die die Menschen ausbeuten und sie unterdrücken (S. 271), von der Überwindung der Grenzen für individuelle Teilhabe am anthropologischen Potenzial (S.328), vom Begreifen des Einzelnen, „dass in seinem subjektiven Bewegungsprofil die Freiheit und der Reichtum des Daseins angelegt sind“. (S.346)

    Niemand wird bezweifeln, so oder ähnliche aufmunternde aber oft belanglose Wortbildungen schon gelesen oder gehört zu haben. Im schlimmsten Fall dieses von Politikern oft geprägte Wort vom notwendigen Zusammenhalt der Gesellschaft, davon, einer müsse für den anderen stehen und alle für einen. Das geht einem sozusagen am A vorbei.

    Wo bleibt jedoch die Vorstellungskraft für tätiges Mittun in einer von Grund auf veränderten Gesellschaft? Mit Appellen und Sprüchen allein erregt man kaum Aufmerksamkeit, geschweige denn Erkenntnisgewinn - den Mensch als freies Subjekt, bewusst handelnd und zugleich kritisch?

    Der Autor Günter Rexilius ist mutig genug, dem geistigen und physischen Treiben gegen die untergegangene DDR, dem großartigen Beispiel für die Entmachtung des Kapitals und für Frieden und Völkerverständigung auf deutschem Boden, einen gewaltigen Schuss vor den Bug zu setzen. Seit 1789 seien lebenswerte Alternativen „zur geld- und marktkonformen individuellen Selbstaufgabe“ versucht worden und auf europäischem Boden längst gewachsen. (S. 350) „Wer sich der Mühe unterzieht, DDR-Geschichte in ihrer Vielfalt und Lebendigkeit aufzuarbeiten, findet nicht zuletzt in der jüngsten Geschichte Impulse, die festhalten sollten: Wird der Schutt von Stasi, SED-Funktionärskadern und westlicher Propaganda beiseite geräumt, stößt man auf Menschen, die mit Phantasie, mit Überzeugung an einer sozialistischen Gesellschaft gebaut haben, weil sie um den Zusammenhang von Faschismus und Kapitalismus einerseits, von den Energien, die ein gerechtes, solidarisches Miteinander freisetzt, andererseits, wussten.“ (S. 351)

    Ein Buch der Bücher

    Im Klartext: Dieses Sachbuch mit seinen 370 Seiten ist ein geistig aufrüttelnder Wecker. Es legt den Finger auf die Wunden unserer Gegenwart in dieser westlichen so genannten Wertegemeinschaft. Mehr noch: Es zeigt mit den Begriffen wie „anthropologisch-existenzielle Basis“ und „das subjektpsychologische Projekt“ (Seite 9) die Zielrichtung an, worum es dem Autor - geboren 1943, seit 1970 in den Fächern Psychologie, Sozialpsychologie und Sozialpsychiatrie unterrichtend und heute als Psychotherapeut in eigener Praxis arbeitend - geht: Der Mensch als Subjekt in seiner Bindung an Kollektive und an äußere Lebensverhältnisse. Also in seiner Eigenschaft als die Gesellschaft veränderbares und revolutionäres Wesen. Die philosophische Anthropologie sucht vom einzelnen Menschen zu abstrahieren und zielt auf Allgemeingültigkeit.

    Es ist ein außerordentlich geistreiches, psychologisches und gesellschaftskritisches Buch, das in dieser angrifflustigen Stärke seines Gleichen sucht. Nicht nur, dass der Autor mutig gewollt und in hervorragender Weise die Klassiker des Marxismus aus der Versenkung holt, sondern mit nachdrücklicher Liebe zum Leben und Wirken der Menschen, seiner Individualität, auf das sehr menschliche und bisher gestörte Miteinander verweist und auf die Folgen auch für den Planeten Erde. Er setzt alles Denken, Fühlen und Tun in die einzig richtige Beziehung zu gesellschaftlichen Verhältnissen, von denen alles abhängt. Womit eindeutig gesagt ist, sie müssen in Richtung korrigiertem Sozialismus/Kommunismus durch das erkennende und bewusste Subjekt verändert werden, radikal und ohne Wenn und Aber. Wenn der wissenschaftliche Text beim ersten Lesen auch Mühe macht, so hätte ein Wortregister gute Dienste leisten müssen – nichts läuft ohne Anstrengung. Ist es das einzigartige Leben auf dieser Erde nicht wert, zum Sturm auf die Festung Kapitalherrschaft anzusetzen? Die Zeit ist reif dazu – sturmreif. Dann erst wird das um Wahrheit ringende Subjekt im gesellschaftlichen Gefüge tätig aktiv mitwirkend und kritisch von sich sagen können: Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!
    (Erstveröffentlichung der Buchbesprechung in der NRhZ)


    Günter Rexilius: „Das (r)evolutionäre Subjekt. Eine meta-psychologische Studie über Aufklärung, Agitation, Aufbruch“, Broschiert: 370 Seiten, Verlag: Nora; Auflage: 1 (2. Oktober 2019), Sprache: Deutsch, ISBN-10: 3865574769, ISBN-13: 978-3865574763, Euro: 24.90

    Den Spuren von Günter Rexilius versucht auch der Rezensent mit seinem Satirebuch „OPERATION AFFEN-DROHNE, DER NEUE-MAUER-FALL“, in dem auch dieser Buchtipp in einer 3. überarbeiteten Auflage als Anhang enthalten ist, zu folgen.

    https://www.epubli.de//shop/buch/OPERATI...hedSuccessfully

  • OPERATION AFFEN-DROHNEDatum18.12.2019 12:52
    Thema von harrymen im Forum Literatur

    OPERATION AFFEN-DROHNE

    Unter diesem Titel veröffentlichte der Autor harrymen, Jahrgang 1936, ein Satire-Buch im epubli-Verlag, dem er aus aktuellen Erwägungen den Untertitel „DER-NEUE -MAUER-FALL“ hinzufügte.

    Den Inhalt skizziert er mit folgenden Worten:

    Es ist wieder soweit nach dem im Abfall gelandeten „NIE WIEDER“: Ein neuer Weltenkrieg zwischen den Kapitalmächtigen und dem weltweiten Volk ist am Laufen. Wer fragt da nach Ursachen, wer nach Lösungen? Fakt: Ein NEUER MAUER-FALL muss her. Was also tun?

    Ein bisher in menschlichen Kinderhänden verbrachtes „Leben“ eines Akleinen Affen mit Namen DIDA, angeblich geboren im fernen ALTAI-Gebirge, haucht der Mensch BENNO Leben ein und verbindet es mit ihrem Freund DADA und dem noch im Gebirge lebenden Urgroßvater SCHIMPF-PANSE, dem politisch Erfahrenen und Gebildeten.

    Die Höhlenbewohner müssen mit Bitterkeit erfahren, dass der Klimawandel sowie viel Kriegsgeschrei auch sie erwischt hat. Eine eilig zusammengerufene Vollversammlung beschließt: Wir müssen erkunden, ob es Schuldige gibt an der Erderwärmung. Ob Überirdisches im Spiel ist  oder gar die Menschen, unter denen der SCHIMPF-PANSE einst gelebt hatte? DIDA soll sich mit ihrem Freund DADA auf die mit Drohnen angetriebene Lanze setzen. Sie mögen Ursachenforschung betreiben, besonders wegen der zunehmenden Kriegsgefahr – gemeinsam mit ihrem Bekannten, dem Menschen BENNO.

    Satire, Sarkasmus und Humor, gemixt mit treffenden Zitaten aus Wissenschaft und Literatur, ergibt ein spannendes Kaleidoskop von Eindrücken und Nachdenkenswertem, das hinführt zur Einsicht: Es gilt, den Planeten und die Menschen zu retten vor dem unglaublichen Raubzug der Profitgier der „Kraken“. Jeder tue, was er kann. Doch letztendlich  gibt es eine Überraschung...

    LESE-SPLITTER

    Seiten 176/177: Über Megaphon heißt es: „Kommt morgen hierher zur Demo vor den Toren der Eliten-Festung und stimmt mit uns ein in das neue Lied: Alles muss raus!!! Das schuftende Volk bietet den Schuldigen für Armut und Krieg Migrantenplätze im Altaigebirge an, wo sie ohne Privateigentum, aber mit eigener Muskelkraft auf dem Feld oder in der Höhle bei Handarbeiten ein bekömmliches Auskommen haben!! Macht mit bei diesem Volksentscheid!“

    DIDA, die Pfiffige, bekommt große Ohren. Das ist es doch. Sie wird sich diesen Aufruf merken. Inzwischen lenkt BENNO die fragenden Blicke seiner beiden Zöglinge auf eine hoch herausgeputzte und einigermaßen schöne Dame. Sie wässert mit einer Gießkanne den Vorgarten der Festung. Warum? BENNO legt den Zeigefinger an seine Lippen, denn neuerdings haben selbst so manche Straßenbäume kleine winzige Ohren, die jeden verdächtigen Laut an die unterirdische Geheimzentrale weiterleiten.

    BENNO hatte davon gehört: Das seien jene, die ganz offensichtlich etwas am Auge haben. Sie sehen geflissentlich nach rechts gar nichts und tolerieren rechtes Geschehen, während sie nach links so scharf gesehen werden muss, dass selbst ein in der Abendsonne rot  gefärbtes Sandkorn verteufelt und bekämpft werden muss. So seien die Mächtigen in die Lage gekommen, sogenannte Gefährder bald zu entlarven und, falls die Sicherheit des Geldeintreibens gefährdet ist, diese hinter Schloss und Riegel zu bringen.

    Sie konnten noch nicht ahnen, dass die Dame mit der Gießkanne eine Kriegskönigin allererster Güte ist und bei weitem die Erfolgsleiter noch viel höher klettern sollte. Sie wird über kurz oder lang – so war zu vermuten - Arm in Arm mit einem gewissen Generalsekretär zu sehen sein, wobei sie darauf während der Übergabe des Bambi 2019 an die EU den Volksmassen betörend flötete: Im Interesse der EU müssten alle an einem Strang ziehen. Der hochgestellte Mann der NATO wird ergänzend prompt mit dem inhaltsschweren Satz hinzufügen: „Einer für alle und alle für einen“.

    Seiten 147/148

    Auch will man Hilfskräfte anfordern, um die unter Brücken Pennenden endlich mal zu zählen in dieser auch von Flüchtlingen überschwemmenden Stadt. Dem Vernehmen nach sollen überall, wo es möglich ist, Kunstrasen ausgelegt werden, um stürzenden Leuten und Parteien auf diese Art den seelischen und körperlichen Schmerz zu lindern. Mit großem Medienrummel wird auch dies angekündigt: Ein neues Ministerium soll sich um all die kleinen Unwägbarkeiten, um all diese Symptome von Freiheit in dieser so gut funktionierenden Demokratie demnächst kümmern. Es soll sich „Das Pflaster-Ministerium“ nennen. Deren erste Aufgabe: Die Tafeln besser unterstützen, statt sie abschaffen zu wollen. „Siehste“, ruft ein etwas angetrunkenes Männlein, „man kümmert sich...“ Vereinzelt fröhlicher Beifall ringsumher.


    Harry Popow: „OPERATION AFFEN-DROHNE“, epubli-Verlag, Erscheinungsdatum: 09.12.2019, ISBN: 9783750261105,
    Bindungsart: Softcover, Format: DIN A 5 hoch, 288 Seiten, Einzelpreis: 18,99 €

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  • Den Jahren Leben geben...Datum21.01.2019 18:11
    Thema von harrymen im Forum Rezensionen

    „Wunderwasser Harkány. Ein Gesundheitstrip & kulturhistorischer Ausflug in die Baranya – Heimat der Donauschwaben.“ - Karl-Heinz Otto


    DEN JAHREN LEBEN GEBEN …

    Buchtipp von harrymen[[File:Wunder.jpg|none|auto]]

    Dieses Buch „Wunderwasser Harkány“ mit dem Untertitel „Ein Gesundheitstrip & kulturhistorischer Ausflug in die Baranya – Heimat der Donauschwaben“ könnte leicht in die irrige Annahme führen, es handele sich nur um die Gesundheit des Autors mit hinzugefügten Reiseerlebnissen. Nein, es ist ein Plädoyer für die Liebe. Und so muss ich als Rezensent gleich jenen Schlusssatz des Autors Karl-Heinz Otto hervorheben, den ich für den tiefsinnigsten des in letzter Zeit gelesenen halte: „Es kommt nicht darauf an, dem Leben Jahre zu geben, sondern den Jahren Leben!“


    Ergänzend hebt er auf Seite 365 hervor: „Was für die gesamte Menschheit der Frieden ist, ist für das Individuum die Gesundheit, „denn sie bedeutet, Frieden mit seinem Körper und Geist zu schließen ...“


    Wer so genau hinschaut auf die wahren Werte für die Menschen, der nimmt auch nicht jeden angeblich gut gemeinten Ratschlag auf, weder von der Politik noch von Ärzten. So ist zu lesen, dass der Autor seit dem 68. Lebensjahr an einer schmerzhaften Hüftarthrose litt, und der Arzt ihm alternativlos eine Hüftprothese empfahl. Im Hinblick auf die Beschwerden seiner Mutter, die nach mehrmaligen Hüft-Operation schließlich auf einen Rollstuhl angewiesen war, lehnte Carlotto, wie er sich als Schriftsteller nennt, jeglichen operativen Eingriff ab. Er fragte sich, wie er es bisher in seinem ganzen Leben gewohnt war, ob es nicht eine Alternative gebe, von dem der Herr Doktor nicht eine einzige erwähnt hatte. Etwa des ausbleibenden Gewinns wegen? Sein kritischer Geist und sein Mut verhalfen ihm jedenfalls, am Vorschlag seines Arztes zu zweifeln.

    Dabei zweifelte er keinesfalls Kompetenz und Können seines Arztes an, sondern hinterfragte lediglich dessen vorschnelle Entscheidung, um möglicherweise doch noch eine Alternative zur Hüftoperation zu finden. Wenn der geneigte Leser diese Haltung auch für sich positiv zu vermerken weiß, dann wohl auch für die Fragen von Krieg und Frieden. Der Autor, um es vorwegzunehmen, hat auch folgenden Satz als seine Lebensmaxime betrachtet: Er mache sich keine Gedanken darüber, was er nicht beeinflussen kann. Doch er widerspricht sich selber: Denn jede Zeile dieses Buches handelt nicht von Wundern, sondern vom prallgefüllten Leben eines aktiven und lebenshungrigen Menschen, der mit tausenden kleinen und großen Taten den Jahren Leben gab und gibt.

    Die Neugier, der Wissensdrang, das Wunder von menschlicher Kraft und Einfühlungsvermögen – sie sind es, die das eigentliche Wunder darstellen. Nicht allein das Heilwasser ist es, dass das Wunder zu 99.99 Prozent vollbringt, seine Hüftleiden zu heilen (siehe Seite 122) und das Leben wieder in vollen Zügen zu genießen, sondern der menschliche Wille, die heilenden Naturkräfte zu erforschen, zu analysieren und für sich nutzbar zu machen. Und wäre der nach Heilung suchende Autor nicht von einer möglichen Alternative überzeugt gewesen und hätte nicht Kraft, Ausdauer und die notwendigen finanziellen Mittel aufgebracht, hätte er wohl nie das europaweit einmalige Wunderwasser von Harkány aufgespürt.

    Folgen wir als Leser dieser Odyssee, die ihn zunächst nach Bad Doberan, nach Heiligendamm und in das slowakische Weltbad Pistany führt, um endlich in einer Zeitreise durch die Geschichte der Baranya und Ungarns zu enden, dann finden wir auf nahezu allen Seiten die Liebe Karl-Heinz Ottos zu den Mitmenschen, seine ausgeprägte Sucht, der Geschichte und den von den gesellschaftlichen Bedingungen abhängigen Menschen und deren Mut zum Überleben auf den Grund zu gehen.

    Seine erste Reise nach Ungarn verdankt er persönlichen Beziehungen. Dort trifft er sich mit seinen ehemaligen Schulkameraden Ingrid und Rolf Poser, die nach der politischen Rückwende ausgewandert waren. Der ehemalige Botschaftssekretär hat sich am Rande der ungarischen Puszta der Weinkelterei verschrieben und macht sich als talentierter Laienmusiker und versierter Akkordeonspieler im dortigen katholischen Kirchenchor nützlich.

    Diese und viele andere Kontakte zu Ungarn, Donauschwaben, Literaturfreunden, Bauern und Katholiken bereichern nun das Leben des Autors. Er gewinnt nicht nur neue Leser für seine Bücher, er erfährt Lebensgeschichten, Schicksale und Lebensbedingungen auf Dörfern und in Städten. Ihn interessieren neben Lebensgeschichten seiner Wahlverwandten, wie er sie bisweilen nennt, vor allem deren Kenntnisse über die Geschichte des Landes, über ihre Burgen, Schlösser und anderen kulturellen Denkmäler. Beeindruckend, mit wieviel Liebe er seine Freunde zeichnet und seine Leser an deren – manchmal auch kontrovers geführten – Gesprächen und Disputen teilhaben lässt, die sie selbst beim Baden im Heilwasser führen. Da zu den Badegästen neben einheimischen Ungarn auch zahlreiche Serben und Kroaten, Tschechen und Slowaken gehören, kommen auch so manche Erinnerung an sozialistische Zeiten ins Spiel. Er verneigt sich vor der Gastfreundschaft, vor der ehrlich gemeinten Höflichkeit und den Kochkünsten seines Gastlandes.


    Es gibt keinen einzigen Ausflug des neugierigen Autors in die südungarische Baranya, bei dem er lediglich die Schönheit der jeweiligen Feste oder Kirche beschreibt. Stets hinterfragt er, weshalb diese steinernen Zeitzeugen aus dem jahrhundertealten Kampf gegen die Türkenherrschaft noch heute so zahlreiche Besucher anziehen? Der atheistisch geprägte Autor bemüht sich, Hintergründe und Zusammenhänge zu erkennen und setzt sich vor allem kritisch mit den Auswüchsen der katholischen Kirche auseinander, ohne ehrliche Gläubige zu verletzen. So nimmt er an Schrifttafeln Verschleierungen von Realitäten wahr, setzt sich auf Seite 205 mit der Behauptung auseinander, „den Ursprung der Kirche in die Römerzeit zurückzuverlegen“. Über einen Katholiken und dessen Glauben an fantastische Erscheinungen fällt er kein Urteil, kann und darf er auch nicht als toleranter Mensch, solle doch jeder seinen Glauben pflegen, wenn er ihm guttut. Durch Wallfahrerei komme ja niemand zu Schaden, dafür aber „durch das Segnen der christlichen Waffen und Krieger während der letzten verheerenden Weltkriege“. (Seite 223)

    Einen aktuellen Seitenhieb gegen die beiden herrschenden deutschen Parteien, die sich als Christen verstehen, lesen wir auf Seite 232: „Statt der Bibel zu folgen und Schwerter zu Pflugscharen umzuschmieden – also abzurüsten –, folgen sie diesem amerikanischen Wahnsinnspräsidenten und verschleudern immer höhere Milliardensummen für immer grausamere Tötungsinstrumente, obwohl die Bundesrepublik Deutschland von keinem einzigen Staat militärisch bedroht wird ...“

    Selbst im Wunderwasser in Harkány, so schreibt der Autor auf Seite 342, erwacht in ihm sein Hunger, „den schillernden Facetten des Lebens nachzuspüren und meine nie versagende Neugier zu befriedigen“. So fragt er sich, wer der ungarische Ministerpräsident ist, „an dem die vielfachen Schmährufe aus allen Ecken Europas stoisch abzuprallen scheinen“? Trotz der kostenlosen öffentlichen Verkehrsmittel für EU-Pensionäre, trotz der Legalisierung der familiären steuerfreien Schnapsbrennerei für den Eigenbedarf, was natürlich beim Volk gut ankommt. Weshalb aber die Anfeindungen aus dem Ausland? Ist es dessen Staatsprogrammatik, wie der Autor auf Seite 354 feststellt, die auf dem christlichen Árpáden-Mythos fußt? Ist es dessen Anti-Migrationsrede, die an die „simpelsten Instinkte“ appelliert und eine dämonische Angsthysterie schürt, obwohl die Ursachen für die Flüchtlingskrise bei den westeuropäischen und den USA-Rüstungsgewinnlern liegen? Der Autor resümiert, sein Orbán-Bild habe sich gründlich eingetrübt.

    Das Resümee für den Leser mag so aussehen: Einem Menschen mit fundiertem Wissen über gesellschaftliche und geschichtliche Zusammenhänge mag vergönnt sein, mit offenen Augen die Welt zu sehen, sie anzuschauen. Diese Haltung ist es, die einem Urlauber, Touristen oder auch Leser erlaubt, jegliche Erscheinungen zu hinterfragen, nach Antworten zu suchen und sich selbst einzubringen, statt sich wie ein lahmes Schaf durch den Alltag treiben zu lassen.

    Was für ein Gewinn des Autors, nach über einem Dutzend Kuraufenthalten in Hakánys Wunderwasser mit seinen eigenen Hüftgelenken wieder schmerzfrei die Welt und sein Leben genießen zu können.

    Der Autor, so heißt es auf den letzten Seiten, wünscht ebenso anderen Lesern oder auch Leidtragenden ebenso Widerstandskraft gegenüber ausschließlich profitorientierten Heilvorschlägen mancher Chirurgen. Und sicherlich auch dies: Nach Alternativen suchen sollte man nicht nur auf dem Gebiet des Gesundheitswesens.

    Die Haltung, stets mehr zu erfahren, also in die Tiefe zu gehen mit aller Gründlichkeit, das hebt sich von normal Reisenden mit ihren Schilderungen erheblich ab. So lernt man wieder zu forschen, nachzudenken und sich an Genüssen, besonders auch der kulinarischen, zu erfreuen. Zu lieben bedeutet, unsere Existenz zu bereichern, unserem Leben einen Sinn zu geben und die Welt zu verändern. Jeder tue also was er kann.

    Der Autor blickt im 81. Lebensjahr auf ein Dutzend Harkány-Kuren zurück und stellt fest: Ich habe alles richtig gemacht. Ich gebe meinen Jahren Leben, ein lebenswertes Leben.
    (Übrigens: Die zahlreichen farbigen Fotodokumente sind wie Perlen in diesem Buchgeschenk für die Leser.)

    Eine Entdeckungsreise besteht nicht darin, nach neuen Landschaften zu suchen, sondern neue Augen zu bekommen. 
    Marcel Proust (1871 – 1922)

    „Liebe ist nicht in erster Linie eine Bindung an eine bestimmte Person. Sie ist eine Haltung, eine Orientierung des Charakters, welche die Beziehung eines Menschen zur Welt als Ganzes und nicht nur zum Objekt der Liebe bestimmt.“
    Erich Fromm


    Karl-Heinz Otto: „Wunderwasser Harkány. Ein Gesundheitstrip & kulturhistorischer Ausflug in die Baranya – Heimat der Donauschwaben. 1. Auflage 2018, Edition Märkische Reisebilder, Korrektur: Regine Miks, Vertrieb: Phon: 0331 270 1787, Mail: dr.carlotto@t-online.de, ISBN 978-3-934232-99-0, 367 Seiten, Preis: 20 Euro

  • Ein SchützendaseinDatum21.01.2019 18:08
    Thema von harrymen im Forum Rezensionen

    „Der Schütze von Sanssouci. Das Leben mit einer Göttin – Erkenntnisse und Bekenntnisse aus acht Jahrzehnten“ - Harry Popow

    Ein Schützendasein

    Buchtipp von Elke Bauer

    Ehrlicher geht es nicht. In diesem biographischen Bericht erfahren wir die Gedanken eines Zeitzeugen, eines Offiziers der NVA, der drei gesellschaftliche Etappen der deutschen Geschichte durchlebte:
    - Faschismus, dargestellt an den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges,
    - 40 Jahre DDR - vom Optimismus der Aufbaujahre bis zum Unvermögen, den Staat mit den hochgesteckten Zielen zu erhalten,
    - und der Wende/ Nachwende als Negation seines bisherigen Lebens- und Menschenbildes.

    [[File:Bogen_Matthes 001-min (1) (461x640).jpg|none|auto]]Durch die kritische Sicht auf das neue Staatsgebilde BRD sowie durch persönliche Erlebnisse und Begegnungen lernte er die durchlebte und erkämpfte Zeit im Staat DDR noch mehr schätzen und steht zu ihr - trotz alledem. Das bedeutet aber nicht, dass er das Leben in der DDR und die staatliche Ordnung nicht kritisch hinterfragt hätte und Erscheinungen, die zum Ende der DDR führten, nicht benennt. So entwirft er anhand seiner Biografie, seiner Erlebnisse und persönlichen Auseinandersetzungen ein realistisches Bild vom kleinen Land mit den hohen Ansprüchen. Damit bekommt der Leser ein Erinnerungsbuch in die Hand, das ihn zum: "Ach ja, so war es - war das alles schlecht?" sowohl in Ost, als auch wegen seiner Aufrichtigkeit in West bringt. Man denke an: "Es höre jeder auf die Flüsterungen der Geschichte" (Antoine de Saint - Exupery).

    Mahnende Worte von Bertolt Brecht "Zum Volkskongress für den Frieden" (Wien 1952) sind der sinngebende Ausgangspunkt für des Autors Erkenntnisse und Bekenntnisse. Mit der Schilderung seines Lebens, der letzten Kriegsjahre, die er gebeutelt erleben musste, der Evakuierung und der Rückkehr nach Berlin 1945, die Bemühungen der Eltern, an der Gestaltung des neuen Deutschlands mitzuwirken, benennt er die Probleme der Zeit und seine heutige Sicht darauf. Er erlebte die Leistungen seiner Mutter als Dolmetscherin (sie lebte seit 1934 als gebürtige Russin in Deutschland) beim Bau des Treptower Ehrenmals (stolz, sie in der Krypta abgebildet zu sehen), als Personalleiterin und Dolmetscherin bei der SDAG Wismut in Aue und Schwarzenberg im Erzgebirge, ihre Stationen als Dolmetscherin in Berlin und Dresden, als Dozentin in Merseburg.
    Er malt sehr plastisch und wahrhaftig das Bild des Neubeginns, immer dargestellt an den Handlungen seiner Familie, Freunde und Kollegen ohne in Phrasen zu verfallen. Seine Erinnerung an diese Zeit führt er weiter in seinem biografischen Bericht von der Entwicklung als Bergwerklehrling – auch unter Tage - in Zwickau, seiner beginnenden Ausbildung zum Geologen in Schwerin. Diese bricht er ab, als man ihn "überzeugt", in die KVP, später NVA einzutreten.

    Viele Stationen des Armeelebens an den verschiedensten Standorten in der DDR, sein Fernstudium der Journalistik an der Leipziger Karl-Marx-Universität, der Tätigkeit als Diplomjournalist im Offiziersrang an Zeitungen der Armee, sie sind fest eingebettet in das Leben der DDR-Gemeinschaft. So entsteht ein Kaleidoskop des gesellschaftlichen Gefüges in der DDR. Bewusst reiht er sich als „Schütze“ in die große Schar der Verteidiger des Sozialismus in der DDR ein, indem er im Klappentext darauf verweist, dass bereits über 900 Ehemalige und aktive DDR-Bürger ihre Erinnerungen als wertvolle Spuren in die Vergangenheit zu Papier gebracht haben. Das macht das Buch so umfassend.

    Nach insgesamt 32 Dienstjahren in der KVP/NVA geht er zum Fernsehen der DDR als journalistischer Berater.

    Nicht vergessen sollte man den Untertitel "Das Leben mit einer Göttin". Seine Göttin im Focus, nimmt er die wichtigste Bezugsperson in seine Schilderung auf - Cleo, seine große Liebe. Sie steht in allen Lebenslagen schön und klug an seiner Seite, sie erlebte seine Kämpfe mit, erduldend und duldend, aber auch mit kritischen Hinweisen, treu und Freude bringend, die Familiengeschicke beeinflussend.

    Das bedeutete auch, drei Kinder, oft allein, groß zu ziehen, die in der Wendezeit bestanden und heute tüchtig ein selbstbestimmtes Leben führen. Dankbar stellt er diese Seite seines Lebens, die große Liebe und die Fürsorge für die Familie dar, ehrlich und offen. Dabei benennt er auch politisch haltlose Unterstellungen von verschiedenen „Genossen“, die ihm besonders gegen das Ende der DDR hin widerfuhren. Sehr lesenswert wird das Buch auch dadurch, dass er sich nicht als fehlerfreien Menschen, sondern sowohl als kritisch denkendes aber auch als kritisch handelndes Gesellschaftsmitglied darstellt.

    Sein Weg nach der sogenannten Wende war steinig, er musste sich mit Minijobs durchschlagen, wie tausende andere Bürger ebenfalls, verließ mit seiner Frau 1996 für neun Jahre Deutschland und ging nach Schweden.

    Seit 2005 lebt er wieder mit seiner Frau in der Nähe seiner Kinder in Deutschland, wurde Blogger und Hobbymaler, bespricht interessante politische Sachbücher und macht seine Leserschaft mit Abhandlungen aus linken Zeitungen bekannt. Seine Erlebnisse und Erfahrungen hält er in selbst verfassten Büchern und Essays fest.

    Er beendet, wie immer, seine Bücher mit Originalmeinungen und Abhandlungen seiner User zu Zeitereignissen. Besonders erinnerlich ist mir die Erzählung vom "Der Mensch vor dem Supermarkt", die Abhandlungen "Lügenpresse", "Staatsferne" und "Ehe alles zerbricht".
    Beigefügte private Fotos erhöhen die Authentizität des Buches. Es ist durch sein breites Spektrum des DDR - Lebens, ob seiner Ehrlichkeit und Vielfalt, interessanter Schauplätze und kritischer Sichten, eine sowohl unterhaltsame als auch nachdenklich machende Lektüre. Der Schütze steht hier für´s Ganze, poetisch erweitert durch das Bild des Bogenschützen von Sanssouci.


    Harry Popow: „Der Schütze von Sanssouci. Das Leben mit einer Göttin – Erkenntnisse & Bekenntnisse aus acht Jahrzehnten“, Taschenbuch, 356 Seiten, Farbfotos, Druck und Verlag: dbusiness.de gmbh, Greifswalder Str. 152, 10409 Berlin, ISBN 978-3-94683-729-9, Copyright © 2016, Email: info@dbusiness.de, www.dbusiness.de, Bestelladresse:
    http://www.shop.dbusiness.de/article/sho...e-von-sanssouci ,
    Preis: 12,95 Euro


    Zur Rezensentin: Elke Bauer, geb. 1939, Bibliothekar an allgemeinbildenden Bibliotheken der DDR/ Fachschule für Bibliothekare Leipzig 1961, Diplomkulturwissenschaftler/Universität Leipzig 1970, Bibliothekar in ltd. Funktion bis 1991, Aufbau einer eigenen Buchhandlung, selbstständige Buchhändlerin 1991 bis 2001, Rentnerin, ab 2011 in München lebend. (Dieser Buchtipp wurde mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin veröffentlicht.)

  • DER RUF DER TAUBEDatum07.01.2019 16:47
    Thema von harrymen im Forum Literatur

    Leseprobe aus dem Buch

    „DER RUF DER TAUBE“

    Von harrymen


    [[File:TACOklein 001.jpg|none|auto]]Die Taube im Babylon

    Ich suchte sehr lange nach dieser Taube, denn sie wurde verschwunden gemacht. Weder im Fernsehen gesehen noch in den „Qualitätsmedien“ erwähnt. Man schien sie vermisst, oder doch besser verjagt zu haben aus dem Gedächtnis der Menschen. Und heute, genau am 21. Oktober des Jahres 2017 wurde ich fündig. Hat die Seherin Kassandra dabei geholfen? Im Kino Babylon. Da saß ich nun im großen Saal, der voll gerammelt war. Eingeladen hatten die DKP, der Förderverein RotFuchs und der SDAJ. Mein Blick zur Tribüne. Und da stockte mir der Atem: Da war sie, die Taube. Auf einer großen Leinwand. Sie saß in der so wohlbekannten roten Sichel mit dem so wohlbekannten Hammer. Über dem allen die Erinnerung daran, dass wir nunmehr den 100. Geburtstag des Roten Oktober begehen. Tolle und inhaltsreiche Reden, Gesang und Gedichte, wo auch Bert Brecht und andere Publizisten und Dichter mit ihren politischen Erkenntnissen und Bekenntnissen nicht fehlten. So auch „Partisanen vom Amur“.

    Im Saal nicht nur Graubärte, die dieses Lied ja wohl kannten, sondern auch viele sehr Jugendliche. Neben mir in der Sitzreihe johlte es, man sang die Strophen mit, und nicht nur von diesem Text, auch von anderen Kampfliedern. Welch ein glücklicher Moment. Denn es geschah sehr Außerordentliches: Die Friedenstaube wurde wieder flügge, ganz nach dem Motto, das diese Konferenz prägte: REVOLUTION IST ZUKUNFT.


    Presseinformation

    In diesem Sachbuch mit 548 Seiten und über 91 Buchtipps geht es um Zusammenhänge in Politik und Wirtschaft, um die Ursachen von antagonistischen Widersprüchen und deren Überwindung. Es sind jene Konflikte , die von Politikern und hörigen Printmedien des westlichen Kapitalismus bewusst unerwähnt, ja totgeschwiegen werden. (Unterzeile: „Blüten“ im Kreuzfeuer)

    Es trägt mit Analysen, Meinungen, Kommentaren sowie autobiografischen Notizen zum Alltag und zu politischen und persönlichen Problemen des gesellschaftlichen Lebens Symbolcharakter für gesellschaftskritische Literatur - im Interesse der notwendigen Veränderungen im System der kapitalistischen Herrschaft in der BRD, im Interesse von Abrüstung statt Aufrüstung. Es ist ein bemerkenswerte konzentriertes Angebot an philosophischen, geschichtlichen und besonders aktuellen Erkenntnissen sowie deren Lösungsansätzen.

    Zu danken sind den um Wahrheit kämpfenden Autoren wie Lucas Zeise, Daniela Dahn, Jürgen Grässlin, Hans-Dieter Mäde, Jürgen Roth, Matthias Eik & Marc Friedrich, Heiko Schrang, Christiane Florin, Herman L. Gremliza (Hg.), Brigitte Queck, Wolfgang Bittner oder Arn Strohmeyer, um nur einige zu erwähnen.

    Wir brauchen in Deutschland nicht den politischen Stillstand, sondern den Aufbruch, die Veränderung, die auch im Buch „Staatsfeind bis heute“ von Gunter Pirntke, die 11. Feuerbachthese betreffend, dringend angemahnt wird.

    Die nach vorne drängenden politischen Sachbücher – sie sind nur wenige Sandkörner auf dem Damm der Vernunft gegen verheerende entpolitisierende Überflutung und Krieg. Sie sind kenntlich gemachte Bruchstellen im Gefüge zwischen Mensch und kapitalistischer Profitgier.

    Harry Popow: DER RUF DER TAUBE. „BLÜTEN“ IM KREUZFEUER. © Copyright by Harry Popow, Verlag: epubli, Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin, Erscheinungsdatum 19.11.2018, ISBN: 9783746782256/80635, Seiten: 548, Preis: 33,99 Euro

    https://www.epubli.de//shop/buch/RUF-DER...hedSuccessfully

    Sonderdruck: Layout: Carlotto, 412 Seiten, Farbfotos, 16,67 EURO. Zu bestellen nur über Mail an den Autor.


    Der Rezensent

    Geboren 1936 in Berlin Tegel, erlebte Harry Popow (alias Henry Orlow in seinem Buch „In die Stille gerettet“) noch die letzten Kriegsjahre und Tage. Ab 1953 war er Berglehrling im Zwickauer Steinkohlenrevier. Eigentlich wollte er Geologe werden, und so begann Harry Popow ab September 1954 eine Arbeit als Kollektor in der Außenstelle der Staatlichen Geologischen Kommission der DDR in Schwerin. Unter dem Versprechen, Militärgeologie studieren zu können, warb man ihn für eine Offizierslaufbahn in der KVP/NVA. Doch mit Geologie hatte das alles nur bedingt zu tun… In den bewaffneten Kräften diente er zunächst als Ausbilder und danach 22 Jahre als Reporter und Redakteur in der Wochenzeitung „Volksarmee“. Das Zeugnis Diplomjournalist erwarb der junge Offizier im fünfjährigen Fernstudium an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Nach Beendigung der fast 32-jährigen Dienstzeit arbeitete er bis Ende 1991 als Journalist und Berater im Fernsehen der DDR. Von 1996 bis 2005 lebte der Autor mit seiner Frau in Schweden. Beide kehrten 2005 nach Deutschland zurück. Sie sind seit über 55 Jahren sehr glücklich verheiratet und haben drei Kinder, zwei Enkel und zwei Enkelinnen.

  • DER HÖHLENMENSCH - LeseprobenDatum23.09.2018 16:11
    Thema von harrymen im Forum Aktuelle Autorenbeitr&...

    Pressemitteilung

    Von harrymen[[File:Cover_AffenPresse_Höhle200.jpg|none|auto]]

    Unter dem Titel „DER HÖHLENMENSCH – AFFENMENSCHEN SORGEN SICH UM DIE ZUKUNFT UNSERES PLANETEN“  veröffentlichte der Diplom-Journalist und Blogger Harry Popow im Eigenverlag epubli, Erscheinungsdatum 08.09.2018, 254 Seiten, eine politische Satire gegen die Menschenfeindlichkeit des weltweiten Kapitals.

    Ein bisher in menschlichen Kinderhänden verbrachtes „Leben“ eines kleinen Affen mit Namen DIDA, angeblich geboren im fernen ALTAI-Gebirge, haucht der Mensch BENNO  Leben ein und verbindet es mit ihrem Freund DADA und dem noch im Gebirge lebenden Urgroßvater SCHIMPF-PANSE, dem Erfahrenen und Gebildeten.
    Die Höhlenbewohner müssen mit Bitterkeit erfahren, dass der Klimawandel auch sie erwischt hat. Eine eilig zusammengerufene Vollversammlung beschließt: Wir müssen erkunden, ob es Schuldige gibt an der Erderwärmung. Ob Überirdisches im Spiel sind oder gar die Menschen, unter denen der SCHIMPF-PANSE einst gelebt hatte? DIDA  soll sich mit ihrem Freund DADA auf die mit Drohnen angetriebene Lanze setzen. Sie mögen Ursachenforschung betreiben – gemeinsam mit ihrem Bekannten, dem Menschen BENNO.

    Satire, Sarkasmus und Humor, gemixt mit Erkenntnissen aus Wissenschaft und Literatur, ergibt ein spannendes Kaleidoskop von Eindrücken und Nachdenkenswertem, das hinführt zur Einsicht: Es gilt, den Planeten zu retten vor dem unglaublichen Raubzug der angeblichen „Kraken“. Jeder tue, was er kann.


    Harry Popow: „DER HÖHLENMENSCH“. © Copyright by Harry Popow, Verlag: epubli, Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin, ISBN: , Seiten: 254, Preis: 15,99 Euro

    https://www.epubli.de/shop/buch/DER-H%C3...746760780/78469

    Zwei der ersten Kapitel:

    BENNOS ALBTRAUM

    BENNO schüttelt sich vor Schreck. Nach dem Erwachen. Ein Albtraum verfolgt ihn. Er hatte einen freien Eintritt per Mail in eine riesige Arena erhalten. Fußball oder? BENNOS Ding ist das eigentlich nicht. Aber seine sprichwörtliche Neugier treibt ihn hin. Sein erster Eindruck: So viele Massen an Volk hatte er noch niemals auf einen Haufen gesehen. Am Rande des riesigen Feldes werkeln Leute an Werkbänken. Andere digitalisieren irgend etwas.

    In der Mitte des weiten Feldes aber tummeln sich Menschen unterschiedlichen Couleur. Sicherlich Tausende jubeln einer Band zu und nackt Tanzenden, die für die freie Liebe und für Schwule und Lesben kämpfen. Andere – wie letztens in Chemnitz – schießen mit Worten aufeinander, einige prügeln sich, manche fallen tot zu Boden.


    Entnommen: https://www.jungewelt.de/

    Dazwischen strecken einige, sie heben sich ganz dunkel rechts von der Masse ab, den rechten Arm in die Höhe. Jeder gegen jeden. So sieht Freiheit aus. Das ist die vielgepriesene Vielfalt, denkt BENNO. Aber vieles soll ja eine Grenze haben. Im Hintergrund nämlich brüllen Polizisten, ohne die Rechten zu beachten: „Weg frei, wir schaffen Ordnung“, und sie stürzen sich auf angebliche Kriminelle, die sich ganz links in der Arena aufhielten. Über allem kreisen Drohnen über der Arena. Man sieht, die werfen Laserstrahlen auf dieses riesige Chaos. „Überwachung, Überwachung!!“

    Diese als Lösung der Konflikte anerkannte Methode der bekannten und offensichtlich helfenden „Ruhe und Ordnung - Rufe“ kommen plötzlich aus den hohen Rängen. Daher, wo jene stets sitzen, die die hohen Eintrittsgelder festlegen und anschließend einkassieren. Angesichts dieses Chaos im Schafs-Volk reiben sie sich die Hände. So schaffen sie sich weiter grünes Licht für neues Wachstum im eigenen,
     ureigensten Interesse. BENNO schüttelt es. Was tun?

    Da kommt über Lautsprecher die Aufforderung, Ruhe zu bewahren. Die Königin habe das Wort. Was sie ausspricht, ist nicht unbekannt: Hört auf, euch zu prügeln. Tanzt besser. Seid lieber nett zueinander. Wir sind doch eine Familie. Wir leben doch gut. Wir tragen doch Verantwortung. Ich liebe doch alle. Rechts und links.

    In diesem Augenblick dröhnt es vom blauen Himmel herab. Eine Drohne. Auf ihr sitzt offensichtlich der Pressesprecher mit seinem nichtssagenden Gesicht. Er streckt dem Volk ganz unten die Zunge heraus. Ihr entströmen Sprechblasen.  Zu lesen ist: Seid vernünftig. Alle sollen hochleben. Fragt nicht nach Ursachen und Wirkungen. Schon gar nicht nach Geschichte und Zukunftsmusik. Hört lieber auf die Königin. Wenn sie lieb zu euch sein will, dann meint sie das Wachstum. Je reicher die in den Rängen sind, desto besser wird es euch gehen die ihr da unten tanzt, boxt, euch prügelt. Hauptsache, ihr vergesst das Kaufen nicht. Davon lebe schließlich auch ich. Und die Königin. Alle, die hoch im Rang sitzen. Das ist die Hauptsache. Doch in der Arena nimmt niemand etwas wahr. Der Tanz geht weiter.

    BENNO wird übel.

    Da bemerkt er am Rande des Platzes einige Hürden. Mit Schildern dran. Da steht in gut lesbarer hochdeutscher Schrift an dem ersten Hindernis -  soviel Freiheit muss sein - „wer dieses Hindernis kraftvoll und nicht ohne Mühe überspringt, der wird den Zusammenhang zwischen Unten und Oben besser ins Auge nehmen können und verstehen.“ BENNO zeigt einen Vogel: Da fordert jemand voller Illusionen nichts weiter als die Anerkennung des die Welt erschütternden Zwiespalts. Doch über diese Hürde, der wichtigsten vor dem eigentlichen Tun, springen nicht alle. Aus Faulheit? Aus Angst?

    An der zweiten Hürde wird davor gewarnt: „Wer mehr als erlaubt Wahrheiten ins Blickfeld nimmt und der Illusion verhaftet ist, die Leute auf den oberen Rängen verjagen zu können um selber dort Platz zu nehmen, ist ein Gefährder.“

    Diese Hürde, die nicht einmal konsequent genug von den Linken genommen wird, steuern nunmehr „AUFSTEHENDE“ an. Ihnen folgen Aufgemunterte. Die Arena leert sich. Die in den hohen Rängen werden unruhig.

    BENNO stöbert zu Hause an seinem Computer im Datenarchiv. Diese Beruhigungspillen vom Pressesprecher auf der Drohne hatte er doch schon einmal gelesen. So ähnlich jedenfalls. Und dann findet er den Text in einem der über 80 Buchtipps, die er in den letzten Jahren verfasst hatte: Da schreibt der Autor Michael Meyen in seinem Buch: „BREAKING NEWS: DIE WELT IM AUSNAHMEZUSTAND. WIE UNS DIE MEDIEN REGIEREN“:  

    Man solle unbefangen in die Welt schauen. (S. 10) Es gehe um Konflikte statt um Streit und Inhalte. (S.11) Es gebe keine Alternativen. (S. 167) Auf Seite 33 zitiert der Autor den Soziologen Armin Nassehi: „Schluss mit einfachen Kausalitäten. Weg von Wahrheiten und Lösungen, (…) Hin zu der Einsicht, dass es keine Ursachen gibt, keine Strategie, die sicheren Erfolg verspricht, und folglich auch kein lineares Narrativ. Alles passiert gleichzeitig (…). Warum also an die Vernunft appellieren (von Bürgern, von Politikern, von Unternehmern), warum auf irgendeine Form der Einsicht hoffen (von wem auch immer), warum „Wissen“ für irgendeine ` „Praxis“  produzieren?

    Für BENNO und den so vielen politisch hellwachen Bürgern sind diese Offenbarungen nichts Neues: Es geht gar nicht um Inhalte, schon gar nicht um Politik oder Wirtschaft, sondern darum, beim Konsumenten ein AHA! zu erzeugen. Der Ausnahmezustand als Ausdruck des Imperativs der Aufmerksamkeit. Der Autor schreibt von Mediatisierung und von Resilienz. Beide Begriffe bezeichnen einerseits den Einfluss der Medien auf die Gesellschaft als auch die Notwendigkeit, diesem Druck psychologisch widerstehen zu können. Womit er auch die Gesellschaft insgesamt meint.

    Und nun bewegt den in die Jahre gekommenen Blogger BENNO  ein neuer Traum...

    AFFENALARM
    BENNO denkt, ihn laust der Affe. Er schüttelt den Kopf. In einem Heft aus dem Jahre 1993, genannt controvers, geschrieben von Gerhard Branster unter dem Titel „Mensch – Wohin?“ auf Seite 26, liest der Wissbegierige folgenden Satz: „Der Absturz auf das Niveau des Höhlenmenschen ist da noch die freundlichste Aussicht.“ Meint er etwa die Menschen damit? Offensichtlich ja, denn der Autor spricht von der Reduzierung der natürlichen Existenzbedingungen, „in dessen Verlauf die Menschheit immer schmerzlichere und schließlich unerträgliche körperliche und seelische Schäden erleiden wird“. (S. 25)

    Aber: Kann es für die Menschen auf unserem Planeten nicht noch schlimmer kommen? Nach diesem brennend heißen Sommer 2018? Aber Wie kommt der Autor auf diese Zukunft – Höhlenmenschen? Hat dieser Mann noch alle Tassen im Schrank? Oder gehört der Autor der Marionettenmannschaft der sensationslüsternen Zeitungsschreiberlinge an? Und überhaupt: Was sind Höhlenmenschen, wo leben sie? Das fehlte noch, dass sie unsere Gastgeber sein sollen. Von denen möglicherweise noch lernen müssen? Sooo nicht! BENNO, sonst sehr human veranlagt, wehrt sich gegen die Zumutung, wieder zum Affen gemacht zu werden.

    Andererseits: Haben die Höhlenmenschen etwas, was den Menschen fehlt? Noch fehlt? Er weist diesen Gedanken von sich, bleibt aber wie immer auf der Hut, vielleicht, vielleicht... Ist gar noch bisher Unbekanntes zu entdecken?
    BENNO, vor dem Computer sitzend hört – kaum vernehmbar – aus der Höhe eines Wandregals einen glucksenden Laut. Da sitzt das Affenmädchen DIDA, die stets eigenständig denkende und grinst den BENNO an. Verwundert und seinen Gedankengang stoppend, fragt er sie, ob es ihr gute gehe. Nun lacht sie aus vollem Halse und schießt einen Affenpfeil in Richtung des Nachdenklichen ab: „Ein Leben lang war ich für Euch Kinder und Euren Eltern nur ein Spielball. Und nun will ich auch einmal mitreden. Außerdem: Was wisst ihr Menschen denn von unserem Affenleben. Was in uns vorgeht? Wie wir gelebt haben? Wo wir herkommen? Niemals habt ihr danach gefragt. Purer Egoismus und Gleichgültigkeit treibt Euch, heute mehr als je zuvor.“

    „Genug“, ruft BENNO. „Ich habe verstanden. Dann, so bitte ich Dich, erzähle mir aus Deinem Leben. du hast mich neugierig gemacht.“

    Dabei hat BENNO das Cover vom Buch vor Augen, das er auf seine letzten glücklichen Lebensjahre verfassen will: Das Äffchen – also DIDA - scheint die Leser etwas schamhaft aber auch trotzig anzulächeln. Ausgefranste Füße und Hände. Zerknautschter Mund. Dazu noch – wie kann es anders sein – einen modernen aus der Menschheit stammenden – Kugelschreiber im Arm. Schließlich hat er einiges mitzuteilen. Er, der Affe, geboren in einer sehr östlichen großen Hauptstadt, liebevoll von einem kleinen Mädchen der zwanziger und dreißiger Jahre gehegt und gepflegt, herzlich in den Arm genommen von ihren späteren Kindern. In sehr schmerzlicher Erinnerung: Das Sirenengeheul und das Krachen von Bomben in benachbarten Häusern dieser großen Stadt, wo dem Krieg, wie DIDA durch Gespräche mitkriegte, endgültig der Garaus gemacht wurde. Schließlich aus der Grube des Vergessens gehoben nach dem Tode der unsterblichen alten Mutter. Seitdem sitzt DIDA auf dem Bücherregal in BENNOS Arbeitszimmer und schaut den BENNO mit vergnügtem Gesichtsausdruck an. Ja, sie und ihre Vorfahren  seien Höhlenmenschen im fernen Altai-Gebirge gewesen.

    Und so erfährt BENNO etwas, was noch keiner der ihm bekannten Menschen zu hören bekommen hat: Es war einmal vor vielen tausend Jahren, da gab es hunderte Höhlen in den hohen Bergen. Sie wärmten jene Kleinaffen, die darin gezeugt und groß geworden sind. Die Mütter und Väter sorgten für Futter und schützten ihre Jünglinge vor fremden Raubtieren. Die Höhle war ihr Zuhause, ihr Eigentum. Es dauerte nicht lange und Raubtiere nahmen alle Höhlen des Gebirges in Beschlag. Sie versprachen eine gute Fütterung für alle, versorgten aber in erster Linie ihre eigene Brut und kümmerten sich immer weniger um das gemeine Affenvolk. Mehr noch, sie eroberten fremde Räume, nahmen ganze Waldstücke und Gebirge in Beschlag.
    Das war den vielen Menschenaffen zu viel des „Guten“. Sie wehrten sich und nahmen – auch mit Gewalt – ihre Höhlen wieder zurück in den eigenen Besitz. Das war ihr ganz großes Glück.

    BENNO ist ganz Ohr. Er weiß, dass DIDA schon als Kind durch die Vermittlung menschlicher Verwandte zu den Menschen kam nach Europa. Seitdem, so klagt sie zurecht, kenne sie nur das kleine und enge Familienleben. Sie würde, so ihr Wunsch, mehr vom Leben der Erdenbewohner kennenlernen. Es sollten nur Stunden vergehen, und etwas sehr Dramatisches spielte sich ab.

    Denn BENNO, als einstiger Journalist, wie stets den Bleistift in der Hand und ein Stück Papier vor sich, stutzt plötzlich, denn DIDA schweigt und hat Tränen in den Augen. „Was ist los“, fragt BENNO bestürzt. DIDA zeigt auf ihr Affen-Sprechphon. „Da, mein Großvater SCHIMPF-PANSE sendet einen Hilferuf. Er braucht mich und meinen Rat. Ich muss sofort los.“

    Kaum ausgesprochen, lässt AFFEN-ENKELIN DIDA sich vom Bücherbord fallen, flitzt zur Haustür, holt ihre bisher als Spielerei angesehene Lanze aus dem Schuppen, verbindet sie mit einer geklauten Drohne aus dem militärischen Hauptquartier der Republik und verschwindet mit einem unbeschreiblichen Affenzahn in Richtung Osten. Ohne Abschied. BENNO versteht gar nichts mehr...

  • Die VerzauberungDatum12.05.2018 11:45
    Thema von harrymen im Forum Literatur

    Aus dem Buch "Wir Sonnenkinder"

    Die Verzauberung

    Von Harry Popow

    Man schaue sich dieses Gemälde an (siehe Cover). Es ist mein erstes Bild gespachtelt, abstrakt und gleichzeitig auch gegenständlich. Acryl auf Leinwand. Geschenk für Cleo zur "Goldenen Hochzeit" am 23.12.2011. (Siehe Text im Buch III). Das war eine schwierige Geburt. Einerseits wollte ich die herrliche Pose von Cleo im Gemälde festhalten (nach einer Fotografie). Aber nicht in einem gewöhnlichen Gelände, nicht in einer „nur schönen“ Landschaft. Und hier begann das Problem: Bisher hatte ich Landschaften dargestellt. Gut und weniger gut. Manche sogar verkauft. Manche verschenkt. Und nun hatte ich es satt. Die Unruhe, die innere! Was passiert in der Welt? Sind wir zu brav, alles ertragen zu müssen? Nicht privat, nein, es geht um viel mehr. Wohin treiben wir, die Menschheit? Ich greife wieder einmal zu hoch!!!

    [[File:Goldene Hochzeit 033.jpg|none|auto]][[File:Sonne_klein_ 001 (2).jpg|none|auto]]Was also als Hintergrund, nahezu unbewusst angedacht, aber immer stärker im Kopf und im Gefühl? Was also? Spielte das eine Rolle? Aber gewiss doch… Tagelanges Grübeln. Cleo, in dieser bescheidenen Pose, ein einfaches Blumensträußchen in der Hand. Selbstvergessen, des Fotografen Blick nicht bemerkend. Und welch eine Unabhängigkeit, welch eine Würde. Welch eine Schönheit in diesem Bild. Schönheit, die aus dem Inneren kommt, nicht angewiesen auf Beifall und Zuspruch. Einfach so. Aus sich heraus. Das alleine hat seinen Wert. Wo doch heutzutage so vieles auf Demonstration aus ist, auf die Notwendigkeit reduziert, sich präsentieren, ja, verkaufen zu müssen.

    Und wie diese Pose in die Welt stellen? Nachts der Gedanke: Erde und Welt. Welt als Planet Erde und dazu eine riesengroße Sonne. Kontrast von blau und gelb-orange. Das war die Idee!!! Cleo, Frau, Mensch – in Beziehung zum Großen. Keine Reduzierung der Figur auf ein handelndes Subjekt, sondern als Symbol menschlicher Kraft und Schönheit. Nicht die Gefahren in der Welt stehen im Vordergrund, sondern das Dasein des Menschen, das allerdings irgendwann – genauso wie die Erde – seine Endlichkeit erreicht haben würde.

    Sicher – ein Symbol, ein Teil steht für das Ganze. Aber es steht nicht für sich allein. Es hat ein Umfeld. Beides, das Einzelne und das Gesamte, muss im Blickfeld bleiben. Das ist das Wesentliche: Komplexes Denken und Handeln ist gefragt. Wer sein Dasein lediglich auf das eigene Ich reduziert, bleibt ein Spielball des Übermächtigen. Teilweise und unter bestimmten Umständen ist das Ich überlebensnotwendig. Der Sinn des Lebens: Darüber hinaus das Sehen und Tun erlernen und anwenden…

    Aus den Trümmern kam die Generation der vor 1945 Geborenen. Darauf verweisen die Eierschalen rechts unter der Figur, dieser lichten Gestalt. Im Uhrzeigersystem nach links und oben schauend sehen wir ein defektes Haus, siehe zerbrochene Streichhölzer, und darüber ein angedeutetes Wohnhaus, nicht ohne Blut. Wie klein mögen die unerhörten menschlichen Verluste wirken, wenn man die Lebenswege, mitunter schwarz eingefärbt, der im Bild links verlaufenen Linie verfolgt. Bis in die Sonne, dem unendlichen Verbrennungsprozess folgend, dem jeglichen Ende entgegen. Schaut man genauer hin, dann bemerkt man einen geklebten Strick. Wer dreht der Menschheit einen Strick, dem vorzeitigen Ende entgegen?

    Manche sagen, die Farben sprechen an, der Kontrast. Das ist Absicht, gefühltes Wollen. Mitunter möge man dabei stehen bleiben, aber das größere Vergnügen mögen die persönlichen Entdeckungen sein. Dieses große Rätsel: Der Mensch. Die Hochachtung vor der menschlichen Existenz. Sie sollte uns beflügeln, die Welt – solange sie noch nicht ganz zerstört wurde – zu erhalten, Maß zu halten, der unendlichen Gier nach immer Mehr und Größer und Reicher den Garaus zu machen. Wer fragt nach dem Partner dieser lichten Frauengestalt? Dem Maler? Er hätte es so nicht „klecksen“ können, hätte er nicht innerlich ein reiches und tiefes Innenleben, mit Visionen, mit Träumen. Verlacht mitunter, gewiss, aber das große Glück ist in ihm, der ein halbes Jahrhundert eine Frau lieben durfte und immer noch darf, die selbst alle menschliche Liebenswürdigkeit in sich hat, eine Kameradschaftlichkeit ohnegleichen, die an Selbstaufopferung grenzt – aber auch eine derbe Impulsivität, die Ungereimtheiten gefühlsstark Ausdruck verleiht. Sie sagt: „Jubel dich nicht so hoch, wer bist du denn...“

    Ich mach´s trotzdem. Ein gemaltes Trotzdem. Ein gemalter Seelenzustand. Eine Verwandlung. Eine Verzauberung. Eine Aufforderung zum Disput. Eine Provokation für die Unruhe, fürs Wachsein!! Deshalb ein Buch der Rückbesinnung. So, als Cleo ins Lebensbild trat. Unverhofft. Ein glücklicher Umstand. Ich lernte SIE kennen. In Plauen i.V. am 15.02.1957. (Siehe Beitrag „Volltreffer“ im Buch – ein Vorgriff)

    Harry Popow: Wir Sonnenkinder - Authentische Lebensbilder




    Umschlaggestaltung: Harry Popow, Verlag: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin, ISBN: 978-3-746719-09-2, 504 Seiten, 26,99 Euro, https://www.epubli.de/shop/buch/WIR-SONN...746719092/74250

    Pressemitteilung zum Buch

    Unter dem Titel „WIR SONNENKINDER“ veröffentlichte der Diplom-Journalist und Blogger Harry Popow im Eigenverlag epubli, Erscheinungsdatum 24.04.2018, seine in der DDR als Militärjournalist gesammelten Lebensdaten sowie seine Erlebnisse und Erfahrungen während eines neunjährigen Aufenthaltes in Schweden (1996 bis 2005) als auch nach der Rückkehr nach Deutschland.

    Der Titel, so das Anliegen des Autors, möge vor allem an jene Generation erinnern, die nach der Befreiung vom Faschismus mit viel Mühe aus den Trümmern an materiellen Werten und denen in den Köpfen versucht haben mit gutem Erfolg einen neuen Staat zu errichten, dem als grundlegendes Anliegen die Entmachtung der einst herrschenden Geldeliten, die Beerdigung sämtlicher Kriegsgelüste als geschichtliche Notwendigkeit oblag, sondern vor allem dem friedlichen Aufbau sowie dem militärischen Schutz der DDR.

    Angesichts des gesellschaftlichen und staatlichen Absturzes blickt der damalige Militärjournalist und Oberstleutnant zurück in die Anfangsjahre der DDR, in die Kindheit mit seiner liebevoll sorgenden russischen Mutter, die 1935 zu ihrem Ehemann nach Berlin übergesiedelt war.

    Es sind Tagebuchnotizen eines inzwischen über 81-Jährigen. Es umfasst die Zeit von 1944 bis 2018. Die Notizen sind sporadisch entstanden und halten fest, was ihn am großen Vorhaben fesselte, ein gänzlich anderes und neues Deutschland aufzubauen.

    Das Buch mit seinen 504 Seiten teilt der Autor in vier Teile: Das persönliche Erleben vor und nach 1945, der Aufbruch im Ostwind, die im Westwind untergehende DDR, der vorläufige Aufenthalt in Schweden, die Rückkehr nach neun Jahren sowie die glücklichen Jahre am Rande Berlins, wobei die Beschäftigung als Blogger und Autor für Harry Popow die innere Befriedigung gibt, nicht ganz tatenlos der politischen Verdummung und Orientierungslosigkeit entgegentreten zu können.

    „WIR SONNENKINDER“ ist gleichzeitig ein nach 57 Ehejahren authentischer Liebesroman zwischen seiner Frau Cleo und ihm, dem Autor und Träumer von einer anderen und menschlicheren Welt.

    Der Autor: Geboren 1936 in Berlin-Tegel, erlebte noch die letzten Kriegsjahre. Ab 1953 war er Berglehrling im Zwickauer Steinkohlenrevier und ab Herbst 1954 Angehöriger der KVP, später NVA. In den bewaffneten Kräften diente er bis 1986 u.a. als Militärjournalist. Den Titel Diplomjournalist erwarb er sich im fünfjährigen Fernstudium an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Nach Beendigung der fast 32-jährigen Dienstzeit arbeitete Harry Popow bis Ende 1991 als Journalist und Berater im Fernsehen der DDR. 81-jährig betätigt er sich als Blogger, Rezensent, Autor und Hobbymaler. Er ist seit 1961 sehr glücklich verheiratet.

    (Siehe auch NRhZ, Online-Flyer Nr. 657 vom 02.05.2018)

  • STICH-PROBENDatum12.05.2018 11:39
    Thema von harrymen im Forum Literatur

    Presseinformation

    STICH-PROBEN

    TOTGESCHWIEGENES
    IM RAMPENLICHT


    Unter dem Titel „STICH-PROBEN“ veröffentlichte der Diplom-Journalist und Blogger Harry Popow im Eigenverlag epubli, Erscheinungsdatum 27.04.2018, seine insgesamt über 80 Buchtipps zu gesellschaftskritischen Sachbüchern.  Es trägt mit seinen 376 Seiten Symbolcharakter für die von den Printmedien kaum beachteten bzw. totgeschwiegenen Analysen, Meinungen, Kommentaren sowie autobiografischen Notizen zum Alltag und zu politischen und persönlichen Problemen des gesellschaftlichen Lebens.



    Der Autor schrieb diese Buchtipps im Interesse der notwendigen Veränderungen im System der kapitalistischen Herrschaft in der BRD, im Interesse von Abrüstung statt Aufrüstung. Es ist ein bemerkenswerte konzentriertes Angebot an philosophischen, geschichtlichen und besonders aktuellen Erkenntnissen sowie deren Lösungsansätzen. Zu Wort kommen mit ihren Büchern solche Autoren wie Wolfgang Beutin, Hermann Klenner und Eckart Spoo. Sie sind Herausgeber des Buches „Lob des Kommunismus. Darin zitieren sie auf Seite 7 Platon (427-347), einer der bedeutensten Philosophen der Antike: „In einem Gemeinwesen, in dem Reichtum und Armut fremd sind, wird auch die beste Gesittung zu finden sein, denn weder Frevelmut noch Ungerechtigkeit kommen da auf.“ (siehe in diesem Buch S. 191)

    Zu danken für ihre polemischen Schriften sind u.a. Lucas Zeise, Daniela Dahn, Jürgen Grässlin, Hans-Dieter Mäde, Jürgen Roth, Matthias Eik & Marc Friedrich, Heiko Schrang, Christiane Florin, Herman L. Gremliza (Hg.), Brigitte Queck oder Wolfgang Bittner, um nur einige zu erwähnen: Wir brauchen in Deutschland nicht den politischen Stillstand, sondern den Aufbruch, die Veränderung, die auch im Buch „Staatsfeind bis heute“ von Gunter Pirntke, die 11. Feuerbachthese betreffend, dringend angemahnt wird.

    Der Autor: Geboren 1936 in Berlin-Tegel, erlebte noch die letzten Kriegsjahre. Ab 1953 war er Berglehrling im Zwickauer Steinkohlenrevier und ab Herbst 1954 Angehöriger der KVP, später NVA. In den bewaffneten Kräften diente er bis 1986 u.a. als Militärjournalist. Den Titel Diplomjournalist erwarb er sich im fünfjährigen Fernstudium an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Nach Beendigung der fast 32-jährigen Dienstzeit arbeitete Harry Popow bis Ende 1991 als Journalist und Berater im Fernsehen der DDR. 81-Jährig betätigt er sich als Blogger, Rezensent, Autor und Hobbymaler. Er ist seit 1961 sehr glücklich verheiratet.

    Harry Popow: „STICH-PROBEN. TOTGESCHWIEGENES IM RAMPENLICHT. Texte: © Copyright by Harry Popow, Umschlaggestaltung: © Copyright by Harry Popow, Verlag: epubli, Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin, Sprache: Deutsch, ISBN: 9783746719931, Format: DIN A5 hoch, Seiten: 376, Preis: 20,99 Euro
    https://www.epubli.de/shop/buch/STICH-PR...746719931/74336 [[File:StichkleinCover 001 (2).jpg|none|auto]]

  • GruftgeflüsterDatum01.06.2016 17:42
    Thema von harrymen im Forum Rezensionen

    „Im Stillen Park der untoten Seelen. Tamaras Notizen – auf der Spur von Träumen und ungeweinten Tränen“ - Harry Popow

    Gruftgeflüster


    Buchtipp von Elke Bauer

    [[File:ParKLEIN2d5425cd.s (1).jpg|none|auto]]
    Im schier unübersichtlichen Blätterwald bundesrepublikanischen Literaturbetriebes ist mir ein Buch aufgefallen, das in seiner Authentizität und beeindruckenden Aussage etwas Besonderes in Form und Inhalt darstellt.

    Der Erzähler Henry Petrow stellt Tagebuch und Briefwechsel seiner Mutter Tamara vor. Mit seinem Rückblick auch auf sein eigenes Leben können Leser ein authentisches Erinnerungsbuch an die DDR entdecken.

    Besonders im zweiten Teil “Was Tamara nicht erleben musste“ werden die Aussagen über die gesellschaftlichen Ereignisse, besonders die politischen Verhältnisse der Nachwende weitergeführt, in dem Sinne, dass sie für Tamara erschreckend wären und in keiner Weise zu ihren Träumen gehörten.

    Henry ist im Jahre 2016 selbst schon in dem Alter, in dem der Mensch Erinnerungen pflegt, diese bewertet und aus den Hinterlassenschaften ans Tageslicht fördert. Es sind für ihn belangvolle Rückblicke, die auch für die Nachkommenden Bedeutung haben können.

    Er lädt die Leser ein, Tamara Petrowna näher kennenzulernen. Ihre Tagebuchaufzeichnungen beginnen in den 30iger Jahren des 20.Jahrhunderts. Wir bedenken das Leben des klugen, empfindsamen Moskauer Mädchens mit. Es zeigt sich so erfrischend anders als uns in manchen damaligen Lebensläufen aus dem Russischen nahegelegt wurde. In ihrem Tagebuch ist ihre Jugend nachzuvollziehen, die sie als behütete Tochter eines Fabrikdirektors in der russischen Hauptstadt und den verschiedenen Arbeitsorten des Vaters im In- und Ausland verbringt. In ihren Moskauer Jugendjahren ist sie in den Theatern und Museen, aber auch in den Tanzlokalen und kleinen Cafes zu Hause. Sie vertraut ihrem Tagebuch ihre große Kunstbegeisterung ebenso wie ihre Liebe zur Natur und zur Heimatstadt Moskau an. Sie genießt die Verehrung der jungen Männer in ihrem Freundeskreis und ist immer auf der Suche nach der großen Liebe. Sie bekennt zarte Liebesgeschichten, doch ihren jugendlichen Verehrern gegenüber ist sie sehr skeptisch, die sind ihr alle zu oberflächlich. Sie findet ihre große Liebe mit dem deutschen Ingenieur Eric, dem sie 1935 im Alter von zwanzig Jahren in das faschistische Deutschland folgt. Wir erleben mit ihr das schwierige Eingewöhnen in die fremde Kultur und die ihr fremd bleibenden deutschen Familienbeziehungen der ersten Jahre.

    Nach der Trennung von ihrem Mann 1949, welcher ihr nie die seelische Heimat gab, die sie erwartete, ist sie mit ihren vier Kindern auf sich allein gestellt. Sie bemüht sich, hauptsächlich als Dolmetscherin und Beraterin beim Bau des Ehrenmals in Berlin-Treptow, bei der Wismut in Schwarzenberg /Erzgebirge, als Russischdozentin für führende Wirtschaftskader und an anderen Arbeitsstellen, ihre Lebensvorstellungen aktiv zu verwirklichen und ihre Kinder zu befähigten Menschen heranzubilden. Dabei ist sie immer die rührend besorgte Mutter, die ihre Kinder liebevoll ins Leben begleitet, an ihren Erfolgen Anteil nimmt und ihnen Mut macht durch ihre eigene Stärke.

    Das Alleinsein ohne Partner fällt ihr schwer. Ihre Beziehungen, die sie im späteren Leben hat, kann sie nicht festigen und so bleibt sie letztlich allein. Ihre Sehnsüchte nach vielen Reisen kann sie sich nicht erfüllen. Arbeit, Kinder und mangelnde finanzielle Möglichkeiten zwingen sie, in Büchern kennenzulernen, was sie gerne im Original gesehen hätte. Die Bücher Tschechows und anderer großer Erzähler, die Werke solcher ausdrucksstarken Maler wie Hieronymus Bosch, Jan Vermeer van Delft und des Russen Lewitan sowie klassische Musik bleiben in ihrer geistigen Welt bestimmend. Sie teilt sich dem Sohn und Offizier Henry mit, seiner klugen und tapferen Frau, genannt Cleo, und ihren Enkeln. So liest man mit Schmunzeln Briefe der Enkel an ihre Großmutter.

    Wir gehen mit ihr, wieder sehr berührend, nicht sentimental, den Weg der Bedrängnisse, der zunehmenden Krankheiten, Geldnöte und immer stärker werdenden Einsamkeit. Sie erkennt die Gefahr, die mit Erstarken des Kapitalismus im westdeutschen Nachkriegsdeutschland heraufzieht, kritisiert auch die steigende Konsumorientierung mancher DDR-Bürger.

    Diesem kritischem und stets aktivem Geist folgend, setzt Sohn Henry ihre ausgesprochen hohen Ansprüche an die Gesellschaft und an sich selbst in seinem Leben in die Tat um.

    Als ihr Leben zu Ende geht, ist sie traurig über die Weltlage nach 1980, über ihre Einsamkeit und dem Bewusstsein, nie ganz in Deutschland angekommen zu sein. Das ist die besondere Tragik ihres Lebens. Ihre Träume und ungeweinten Tränen sind zurecht überliefert, weil sie so authentisch sind.

    So, wie der Erzähler den Regungen der individuellen Seelen nachgeht, so will er eine größere Sicht auf die „untoten Seelen“ richten, derer im Treptower Ehrenmal gedacht wird. Sie werden nicht untergehen, auch wenn ihre Körper schon in der Krypta vergangen sind. Der Stolz auf Mutter Tamara, die im Mosaik-Fries in der Krypta als Tröstende und Helfende abgebildet ist, wird immer in ihm fortleben. Deshalb arbeitet er im Buch leise und beharrlich die Forderungen Tamaras und der „untoten Seelen“ nach einem menschlichen, von Kriegen befreiten Leben, heraus. Es ist das Bedürfnis des Erzählers, die Seele der Tamara den erwachsenen Kindern, den Enkeln und den Lesern zu offenbaren. Er will ihr Bemühen um wahre menschliche Werte im Gegensatz zu Bestrebungen für Besitzstände und Äußerlichkeiten, die sie auch in der DDR erkannte, darstellen.

    So ist es kein Wunder, dass Sohn Henry im zweiten Teil „Was Tamara nicht mehr erleben musste“ in die heutigen politischen Debatten die progressiven Ideen bedeutender Persönlichkeiten und Philosophen wirft und vehement verteidigt. So nennt er Platon und Thomas Morus mit ihren Gedanken über Arm und Reich in der Gesellschaft. Die Erkenntnis der immer gefährlicheren Herrschaft des Kapitals über die Völker ist für ihn die Fortsetzung des „Sehens“ und die Zukunftsangst seine Mutter Tamara. Er benennt die Kämpfe unserer Gegenwart und die Enttäuschung unserer Zeitgenossen bei den sich anbahnenden globalen Katastrophen.

    Er weist in den Schriften seiner Bloggerseiten, die er im oben genannten zweiten Teil anführt, auf die Manipulierung vieler Zeitgenossen zu Nur-Besitzanbetern, die mitunter den Sinn des Lebens aus dem Auge verlieren, die DDR-Vergangenheit – ganz im Sinne der Kapitalclique – verteufeln und sich ganz und gar marktkonform angepasst haben und von Politik nichts mehr wissen wollen. Solchen Mitläufern, die nach Goethe …nichts Besseres an Sonn – und Feiertagen wissen, als ein Gespräch von Krieg – und Kriegsgeschrei, wenn hinten weit in der Türkei, die Völker aufeinanderschlagen…

    Der Autor will damit auch das weitverbreitete Desinteresse am politischen Geschehen bei vielen Bürgern anprangern, will aufrütteln. Er geht mit denen ins Gericht, deren Träume das Erreichen möglichst hoher Stufen des Wohllebens sind, die für die vielen Flüchtlinge (wer hat sie verursacht?) Zäune aufstellen, damit ihre „Kreise nicht gestört“ werden.

    Aus dem Flüstern in der Gruft, auch mit der Stimme Tamaras, vermeint er ein immer lauteres Stöhnen zu vernehmen. Es sind die Stimmen der Opfer des zweiten Weltkriegs und aller Kriege, die davor warnen, die Verursacher von immer neuen Verbrechen, von weiterer ökonomischer Verelendung ganzer Völker nicht ernst genug zu nehmen, ihnen keine Gegenwehr entgegenzusetzen.

    So gibt uns das Buch einen vorurteilsfreien Rückblick auf das Leben in der DDR, nicht ohne die Schwächen dieses Lebens erkennen zu lassen. Trotzdem ist es eine lebenswerte Epoche für viele gewesen und weist auf die Notwendigkeit der Schaffung eines lebenswerten Geschicks für alle Menschen hin. Mag für alle Nachdenklichen die Frage aufkommen: “Wie hast Du Dein bisheriges Leben gemeistert?“ Der Text vermittelt die Erkenntnis, dass ohne Spurensicherung, die Vergangenheit betreffend, kein sicherer Weg in die Zukunft führt.

    Das Buch stellt an den Leser einen hohen Anspruch an das Mitdenken, verzichtet aber nicht auf den Unterhaltungswert der vielen locker geschilderten Erlebnisse.

    Auch möchte ich auf die Fotodokumente hinweisen, die zeigen, wie authentisch die schriftlichen Einlassungen sind und so zum besseren Verständnis der Zusammenhänge der geschilderten Fakten beitragen, sie noch besser emotional erlebbar machen.

    Es ist ein Verdienst des AAVAA Verlages, dieses in der Form etwas ungewöhnliche, im Inhalt zutiefst humanistische Buch herauszubringen.


    Harry Popow: „Im Stillen Park der untoten Seelen. Tamaras Notizen – auf der Spur von Träumen und ungeweinten Tränen.“ AAVAA Verlag, 1. Auflage 2016, Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag, Coverbild: Harry Popow, 335 Seiten, Taschenbuch, ISBN: 978-3-8459-1956-0, Preis: 11,95 EURO, Hohen Neuendorf bei Berlin, www.aavaa-verlag.com /
    Neuerscheinungen Juni: Bücher-Shop: http://www.aavaa.de/Im-Stillen-Park-der-untoten-Seelen

    Zur Rezensentin: Elke Bauer, geb. 1939, Bibliothekar an allgemeinbildenden Bibliotheken der DDR/ Fachschule für Bibliothekare Leipzig 1961, Diplomkulturwissenschaftler/Universität Leipzig 1970, Bibliothekar in ltd. Funktion bis 1991, Aufbau einer eigenen Buchhandlung, selbstständige Buchhändlerin 1991 bis 2001, Rentnerin, ab 2011 in München lebend.

  • Thema von harrymen im Forum Aktuelle Autorenbeitr&...

    Fiktives über den Autor von „Eine langweilige Geschichte“, Anton Tschechow

    Arme Seelen zwischen allen Stühlen

    Ein Essay von harrymen


    Wieder einmal sitzt ein Herr Professor, nennen wir ihn Herr O., und nicht nur er, zwischen allen Stühlen. Die Welt spielt verrückt. Im Weltzirkus legen die einen neue Zündschnüre, die anderen warnen vor neuerlichen blutigen Katastrophen. Das ungeheuerliche Resultat: Flüchtlingsströme nach Europa. Und die Ursachen, die eigentlichen, werden weitgehend verschwiegen, geschweige denn mit der Wurzel ausgerottet. Wer noch die Kraft hat, darüber nachzudenken, der schaue sich erstens die verschiedenen Interessenlagen in der Welt an sowie die offenen und verdeckten Methoden, mit denen sie – teilweise mit brutaler Gewalt – durchgesetzt werden von der jeweiligen Machtelite. Von beiden Polen soll hier die Rede sein.

    Es ist der 1.9.2014. Der Professor traut seinen Ohren nicht. Ausgerechnet am Weltfriedenstag folgende Meldung in der ARD: Der Herr Gauck, bekannt als ein Pfarrer, der nichts gegen Waffen hat, besucht Polen. Keine Entschuldigung wegen des Überfalls des deutschen Imperialismus auf Polen. Kein Wort davon, dass die Aggression mit einer Provokation der Faschisten begann, siehe Sender Gleiwitz. Statt dessen ein Bild des Kriegsschiffes, das den ersten Schuss abgegeben hat. Ein Zufallstreffer? Heute ebenso die "altbewährte Methode von Provokationen". So die Ukraine-Krise, die mit der allseitigen Unterstützung der ukrainischen Faschisten gestartet wurde. Russland sei der neue Gegner. Die alten Verbrecher sind aus der Gruft des Nürnberger Prozesses entkommen. Sie leben noch, sie schießen wieder. Es ist zum Kotzen.

    Entsetzen über solche Geschichtsverfälschungen, über diese Verdummung des Volkes! Wen trifft es nicht ganz tief im Herzen? Gibt es noch so etwas wie Wahrheit, die bekanntlich vor Kriegen zuerst stirbt? Muss er das überhaupt wissen, der Herr O.? Kann es ihm nicht egal sein? Fühlt er sich als Rentner nicht zufrieden? Eine Beruhigungspille muss her, denn Goethe schrieb bereits im „Faust, I. Teil, im Jahre 1808: „O glücklich, wer noch hoffen kann, Aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen! Was man nicht weiß, das eben brauchte man, Und was man weiß, kann man nicht brauchen...“

    Die Gedanken des Herrn O. schweifen zurück, weit zurück. Ja, er gehörte zu jenen Ossis, die zunächst dem Schleim nach Freiheit, die es im Westen angeblich geben sollte, 1989 auf den Leim gingen. Ihm, wie auch anderen einstigen DDR-Bürgern, wurden nach der „Wende“ die Augen geöffnet, so wie z.B. der ehemaligen Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley: Sie setzte alles daran, so sagte sie damals, eine andere Gesellschaft zu erreichen, und sie merke (…), das sei ja alles noch viel schlimmer, perspektivloser, Ressourcen vergeudender und unsozialer als damals.

    Nicht genug damit. Herr O. fand folgende Zeilen von Herrn Fritz Raddatz (einst DDR-Bürger, dann Flucht in den Westen) in „Unruhestifter“, (Erinnerungen, List Taschenbuch, Ullstein Verlage S. 436) aufschlussreich: „Die Bundesrepublik ist zwar als Staatsform eine Republik; aber sie ist es ihrer inneren Verfasstheit, Moral, Geistigkeit, ihrer politischen Hygiene nach nie gewesen. Sie hat die Nazizeit so wenig ´bewältigt` wie die Weimarer Republik die Kaiserzeit; beide Staaten übernahmen den komplett erhaltenen Beamten-, Militär- und Wirtschaftsapparat des alten Staates. Beide Staaten übernahmen den alten Gefühlshaushalt und Wertekatalog. Beide Staaten waren/sind innen morsch.“ Auf Seite 240 schrieb Raddatz: „Für die Menschen zumindest meiner Generation war Geld nicht der Maßstab, es bestimmte nicht den Lebenshorizont. Verwirklichung fand in der Arbeit statt. (…) Träume galten nicht dem Haben, sie galten dem Sein.“

    Der Wissenschaftler O. war einst hoch angesehen, auch international. Auf einem sehr wichtigen Spezialgebiet. Unentbehrlich für weitere Forschungen. Behauptete sich durch große Fähigkeiten und enormes Wissen. Dann besetzten die neuen Herrscher das Land: Raus aus dem Unternehmen! Wir brauchen Sie nicht! Er, der Professor: Ich will ja nur weiter auf meinem Fachgebiet forschen. Atempause. Kurzes Überlegen beim Evaluierer. Das Angebot: Er möge das Materiallager übernehmen...

    Diese Demütigung wird Professor O. niemals vergessen. Gibt es eine größere Frechheit, eine größere Dummheit? Eine größere Verachtung geistigen Schaffens? Da war sie – die berüchtigte westliche Arroganz. Ungeist duldet keinen Geist neben sich. Oder wollte man aus ihm einen Hofnarren machen? So wie im Jahre 1714 Friedrich Wilhelm I. den Präsidenten der preußischen Akademie der Wissenschaften Jacob Paul von Gundling in sein „Tabakskollegium“ befiehlt und ihn fortan zum Hofnarren stempelt? (Karl-Heinz Otto, „Gundling“, Edition Märkische Reisebilder, 1. Auflage 2003, Seite 18.)

    Und heute als Rentner? Professor O. sitzt gerne am Computer und schreibt und schreibt. Politische Texte. Auch Rezensionen. Lässt er davon etwas per online ins Netz entwischen, dann kann er sich mitunter frisch machen. Zustimmung auf der einen, Zeckenbisse auf der anderen Seite. Er sei einer, der die neue Zeit verschlafen habe, ein Ewiggestriger, ein Träumer. Ihn möge man bald entsorgen, aber das Alter tue es ja ohnehin, biologisch sozusagen…

    Die Täuschung - „SO oder SO“

    Wo ist der Sinn des Lebens geblieben? Der Professor liest folgende treffende Worte in der Monatszeitschrift RotFuchs vom August 2014: „Die Erosion der unipolaren Weltordnung seit dem Ende des Kalten Krieges hat sich durch die Ukraine-Krise beschleunigt, während Russland als aufsteigende Großmacht neues Selbstvertrauen gewinnt. Es ist nicht gewillt, der 20jährigen NATO-Ausdehnung auf seine Kosten weiterhin keinen Widerstand entgegenzusetzen.“

    In der gleichen Schrift schreibt die Autorin Samira Manthey von der Methode der Eliten, Zweifel und Hoffnungslosigkeit zu säen, indem den Lesern eingetrichtert wird, man müsse alles „so oder so“ sehen. Begriffe würden ihre Eindeutigkeit verlieren, Möglichkeiten wären schöner als `Festschreibungen, „es gäbe keinerlei Gemeinsamkeiten zwischen Individuen und vor allem nicht die daraus resultierende Verantwortung füreinander.“

    Alles so oder so sehen? Nach keinem Standpunkt streben? Keine Meinung, keine Urteilskraft ausbilden wollen? Welch ein Verlust an Werten geht da vonstatten, fragt sich Herr O. Er hat von der USA-Militärdoktrin gelesen, vom Bestreben Washingtons, in der Welt zu dominieren, Europa als Aufmarschgebiet gen Osten unter seinen Fittichen im Griff zu behalten. Was kann er, der Herr Professor, dagegen tun? Eigentlich gar nichts. Oder doch? Vielleicht eine Buchlesung organisieren? Als Hilfe zur Aufklärung? Um zu zeigen, mit welchem Menschenbild und mit welchen Methoden das Weltkapital gegen die Völker vorgeht? Beginnen würde er als Verehrer des russischen Schriftstellers Anton Tschechow mit dessen Erzählung vom Jahre 1889 „Eine langweilige Geschichte“. Ein Zitat ist ihm ans Herz gewachsen:

    „Wenn im Menschen nicht das lebt, was höher und stärker als alle äußeren Umstände ist, dann freilich genügt für ihn ein ordentlicher Schnupfen, um das Gleichgewicht zu verlieren und in jedem Vogel eine Eule zu sehen, ...“ (Seite 87).

    Auf Seite 90 bedauert der Dichter jene Menschen, die sich von keiner Idee, sprich Weltanschauung, leiten lassen, als arme Seelen, als Kreaturen, die „keine Zuflucht“ finden. Und er hänsele gerne, wo er „mit einem Fuße schon im Grabe stehe!“ ( Seite 71, Insel-Verlag, Leipzig 1977).

    Wer sucht und findet heute, im Jahre 2014, Zuflucht, Lebenssinn? Es scheint, Tschechows literarische Mahnung im zaristischen Russland würde nach fast 130 Jahren fortgeschrieben werden müssen. Diesmal in Europa, mehr noch in Deutschland. Nur unter einem anderen Titel. Der sollte lauten: „Arme Seelen zwischen allen Stühlen.“

    Wie soll man sich positionieren? Gibt es fertige Antworten? Wie ist es mit der Neugier bestellt, mit dem Drang nach Bildung? Was geschieht heute in und mit der Gesellschaft? Muss er sich eine Antwort geben? Soll es ihm wie dem alten russischen Professor ergehen, den der gute alte Anton Tschechow im Regen stehen ließ, als dieser seiner Pflegetochter nicht darauf antworten konnte, worin der Sinn des Lebens bestehe. Wer und warum verführt und verdummt man die Hörer und Leser? Weiß er es, der heutige Prof. O.?

    Liebe contra Menschenverachtung

    Herr O., angetrieben von inneren Ängsten, ob die Welt nunmehr im Jahre 2014 am Scheideweg steht, ob wieder Kriege dominieren oder die Hoffnung auf ewigen Frieden, zweifelt. Wer ist schuld am Dilemma zwischen neuerlichem Waffengeklirr und der Lethargie, der Abwartehaltung vieler „armer Seelen“? Wer will das eindeutig beantworten? Wo „es uns doch so gut geht?“ Sind etwa die Politik und die Medien mit ihren Denkschablonen, Verführungskünsten und Verhaltensmustern so leicht zu durchschauen? Steht bei denen der Mensch im Mittelpunkt? Ja doch, rufen die Zecken. Du darfst alles, du bekommst alles. Du musst nur kaufen auf Teufel komm raus. Dann bist du okay. Ist das nicht eine Absage an das Menschsein, fragt sich Herr O. Eine Antwort findet er in der Zeitung „junge Welt“, geschrieben von Werner Seppmann:

    „Es wird ein Menschenbild negiert, das als Gegenprinzip zur Welt der Entfremdung und Verdinglichung dienen könnte. Die theoretische Abwertung des Menschen korrespondiert mit der Weigerung, sich überhaupt noch mit den gesellschaftlichen Verhältnissen und den von ihnen produzierten Entfremdungsformen jenseits symbolischer Beschwörungsrituale auseinanderzusetzen.“

    Liebe oder Menschenverachtung? Was dominiert? Was soll man dazu sagen, wenn bereits Studenten darauf getrimmt werden, die Politik und vor allem das Soziale nicht mit ins Kalkül ihrer Bestrebungen zu ziehen? Es sei nicht notwendig, sich mit diesem unnützen Zeug zu beschäftigen? So gelesen in dem soeben veröffentlichten Büchlein „Warum unsere Studenten so angepasst sind.“ Autorin: Christiane Florin.

    Ist diese Anpassung nur bei Studenten anzutreffen? Warum ganze Heerscharen von Hörern und Lesern schlucken sollen, was die Oberen samt ihrer Medien verkünden, fragt sich der Rentner. Er sammelt und sammelt in online-Zeitungen und politischen Sachbüchern. Und wird fündig...

    Geist verscharren & Geist retten

    Es ist der fünfzehnte August. Den Herr Professor O. schüttelt ein Lach- und gleichzeitig ein Weinkrampf. Da wurde in den Nachrichten gemeldet, der Kopf des großen Denkers Lenin sei einst nach der sogenannten Wende im Walde vergraben worden. Die einen frohlocken, die anderen verspüren symbolisch einen großen Verlust. Die Ersteren glauben mit Sicherheit, mit dem Verscharren des Granitschädels die Menschheit auf ein Nimmerwiedersehen von seinem Geist befreit zu haben, die Gegenspieler sind nicht müde geworden, ihn wieder – symbolisch – aus der Erde zu kratzen. Angst vor dem großen Geist auf der einen Seite – Verlust und Wiederbelebungsversuche auf der anderen. Zwei Pole, die sich gegenseitig abstoßen. Die den tieferen Grund bilden für das Dilemma in unserer Welt. Die einen verscharren den menschlichen politischen Geist – die anderen kratzen ihn wieder an´s Tageslicht. So oder so...

    Zu den Ersteren gehört auch Brandenburgs Ministerpräsident. Der lässt am 17. August 2014 im „Märkischen Sonntag“ verlauten: „Unser Nachwuchs muss ein so bedeutsames Datum kennen und einordnen können (er meint den 13. August 1961, Anmerkung H.P.). Auch wenn wie heute selbstbestimmt und in Freiheit leben, so bleibt es zugleich wichtig, an das Unrecht und an die Mauertoten zu erinnern.“

    Was faselt da Herr Woidke (und andere Politiker stoßen in das gleiche Horn), man müsse etwas einordnen können? Wenn bei TV-Umfragen fast jeder zweite gar nicht mehr weiß, wann die „Mauer“ erbaut wurde? Wenn deren Sinn flöten gegangen ist, wenn die geschichtlichen Ursachen des vom Westen provozierten Kalten Krieges totgeschwiegen und lediglich auf Tränen, Familientrennungen und Opfer in der Berichterstattung reduziert werden? Die Betrachtungsweise, das „So oder so“ bekommt damit eine viel größere und wichtigere Funktion, eine politische Dimension. Zu kurz gedacht?

    Da redet der Herr Bundespräsident - und mit ihm die ganze Schar der Politischen und Kapitalmächtigen - bei der Beurteilung des Ersten Weltkrieges lediglich von den Schrecken der menschlichen Katastrophe, und das Jetzige müsse mit der Waffe in der Hand europaweit verteidigt werden. So gauckelt einer rum, der unter Freiheit lediglich die Finanzgewaltigen und deren Machtfestigung meint. Und die Verursacher der Kriege? Dazu kein Wort, das wäre ja Selbstmord. Dafür schwingen andere Töne durch den Äther: „Wir sind wieder wer!“ Auch mit Waffenlieferungen an die irakischen Kurden? Großmachtgelüste lassen grüßen.

    Niemand der sogenannten Eliten und ihrer Marionetten hat also das Wohl der Menschen im Auge. Die Neuaufteilung der Welt steht allemal wieder auf der Tagesordnung. Was bist du als Bürger im Kapitalismus? Freiwild auf dem Wild-Tanz-Parkett des ungezügelten Marktes. Wenn du kein Konsumidiot sein willst und kannst - dann bist du ein überflüssiger Mensch. So einfach und brutal ist das. Das einstige WIR tendiert zum ICH! Deshalb lobpreisen sie den Individualismus. Zertreten kollektive Erfahrungen, jeglichen Rest von Solidarität, lassen dem Zwischenmenschlichen mit ihrer kalten Gier nach Profit keinen Raum mehr. Predigen die Selbsthilfe, um Geld zu sparen. Soll doch jeder zusehen, wie er weiterkommt. Der Staat hält sich raus. Weitgehend. Und die Deutschen erklimmen im europäischen Raum eine Vormachtstellung. Für wen bitte? Und züchten gehorsame Mitläufer. Auch mit dem Sturmgewehr in der Hand?

    Freiheit für wen? Und diesen Begriff benutzen die Oberen heute als Schlagwort! Nichts steckt dahinter als das was tatsächlich gemeint ist: Die Herrschaft des Kapitals. Dafür sollst du leben, dafür sollst du zahlen, dafür sollst du - einst unter dem Motto für Gott und Vaterland - dein Leben geben. Ist hier jemand betrunken? Im Kern geht es um eine sehr grundlegende Fehleinschätzung der realen Welt. Die einfach existiert, und zwar ohne den Willen der Menschen. Diesen Natur- und gesellschaftlichen Gesetzen hat sich die Menschheit unterzuordnen. Freiheit ohne deren gesetzmäßige Grundlagen zu betrachten bedeutet schlechthin eine idealistische Sicht. Sie zu berücksichtigen, um keine Fehldiagnosen zuzulassen, erfordert eine realistische, dialektische Sicht. So einfach liegen die Dinge, will man sich nicht von den Herrschenden verkohlen lassen. Da hilft keine Frömmelei, kein Wille, es sich menschlich einrichten zu wollen - wenn du gesetzmäßige Abhängigkeiten und Zusammenhänge arrogant ignorierst, dann wirst du es eines Tages zu spüren bekommen. Dann gehst du halt bei stürmischer See ins Wasser und der Sog zieht dich hinaus auf ein Nimmerwiedersehen. Tödlich wird das Ganze, wenn man dem ursächlich vorhandenen Zusammenhang zwischen Maximalprofit und der Entstehung und dem Führen von Kriegen aus dem Wege geht. Tödlich für Millionen von Menschen. Gewinnbringend für die angestrebten Millionen der Kriegsgewinnler. So oder so.

    Um Symptome oder Ursachen?

    „So oder so?“ Sozialismus oder Barbarei? Frieden oder Krieg? Muss man da noch überlegen, abwägen? Wo leben wir? Diese schwankende, lavierende Unverbindlichkeit als Methode. Sie folgt haargenau dem oben geschilderten bürgerlichen Menschenbild. Du hast stets die Wahlmöglichkeit. Oben sein, ganz oben, oder im Nirgendwo landen. „Na und?“, meint mancher Zyniker. Substanz oder Inhalt. Reden oder Tun. Sich mit Symptomen begnügen oder den Ursachen auf den Grund gehen? Verpackung oder Inhalt. Make-up oder Leere. Oberfläche oder Tiefe. Das Böse oder das Gute? (Übrigens die einfältigste Sicht, die es gibt auf Erden.) Wachstum statt Fortschritt, Konflikt statt Krieg, Kollateralschäden statt zivile Opfer.„Tafeln“ als Aushängeschilder des sich sozial gebärdenden Staates. Da rühren die Allmächtigen am Schlaf der Welt, rühren die Kriegstrommeln - und keiner regt sich auf? Befinden wir uns noch im Wachzustand?

    „Ich will, dass unsere Frauen, Kinder, Freunde und Schüler in uns nicht den Namen und nicht die Etikette lieben, sondern einfach den Menschen“, schreibt Anton Tschechow in der langweiligen Geschichte auf Seite 86.

    Zum Haare raufen! Das verbietet niemand. Das „großartige“ demokratische Angebot der Mächtigen im pluralistischen System: Da darfst´e schreiben oder quasseln bis dein Kopf qualmt, schimpfen, randalieren, die Politik fertigmachen, demonstrieren. Du darfst lesen oder den TV einstellen, einen anderen Sender wählen oder alles auch sein lassen. Du darfst überhaupt alles rausschreien in Mails, Briefen, Beschwerden und Artikeln - das Ganze hat nur einen Haken: Es geht alles durch ein unsichtbares Sieb. Das nennt sich nicht Zensur, nein, nein, es ist eine Methode der Ablenkung, des Totschweigens, der Orientierung auf Banalitäten, auf Nebensächlichkeiten. Die angepriesene Vielfalt soll für Demokratie stehen. Das ist irritierend. Und bemäntelt gleichzeitig die wahren Absichten der oberen Zehntausend nach Macht und Profit auf Kosten des Sozialen. Die Negierung des Gesamtzusammenhangs - das ist Ideologie der schlimmsten Art, das ist gewollt. Was ist eine Hochwassergefahr, die gebändigt werden kann, gegen eine mächtiger werdende geistige Vertuschungs- und Verdrehungs-Flut? Unterhaltung aber auf seichteste Art liegt immer gut im Rennen, lässt sich gut verkaufen, ist richtig cool. Herr O. kann ein Lied davon singen...

    So wird Verdruss geboren. Gleichgültigkeit. Und Untätigkeit, etwas ändern zu wollen und zu können. Manche greifen zum Alkohol, andere beten wieder, vielen ist es schnuppe, sie arbeiten und machen sich keinen Kopf. Viele jüngere Leute besinnen sich nur auf sich selber. „Viele junge Menschen leben völlig losgelöst von echter gesellschaftlicher Aktion als schnäppchenjagende Konsumenten und törichte Objekte politischer Manipulation. Das geschieht zur Freude derer, die Solidarität und echte Massenimpulse gar nicht erst aufkommen lassen wollen.“ (RotFuchs August 2014)

    Das Politikverständnis habe sich verflüssigt, bemängelt Christiane Florin in ihrem in Teil I genanntem Buch zu den angepassten Studenten auf Seite 20, es sei unterspült „von einer Mischung aus Desinteresse und punktuellem Engagement. Verflüchtigt hat sich der Gedanke, dass politisches Bewusstsein zum Erwachsenwerden dazugehört.“

    Schwindet mit dem WIR die Verantwortung des Einzelnen für das Ganze? Dazu ein Zitat aus dem „RotFuchs“ (August 2014, S. 13): „In einer Zeit, in der sich die Tagespolitik fast ausschließlich mit Krisen und Kriegen beschäftigt, werden Völkerrechtsverbrechen und der Bruch elementarer Menschenrechtsnormen zur Gewohnheit. Man nimmt sie gewissermaßen als Begleiterscheinungen des politischen Geschehens hin, weil ja ohnehin niemand zur Verantwortung gezogen wird. Die Eigenschaft des menschlichen Verstandes, Autoritäten und Entscheidungen zu hinterfragen, ist vielen leider abhanden gekommen. Eine perfide Propaganda entzieht ihnen die Fähigkeit, über Zusammenhänge tiefer nachzudenken, zumal sich das Leben der meisten auf einen reinen Existenzkampf reduziert hat. Der verbleibende Rest an frei verfügbarer Zeit wird immer mehr mit Late-Night-, Talk-, Dschungel- und Ekel-Shows sowie Videospielen vergeudet. Da bleibt für eigenes Denken kein Platz. Begriffe wie Recht und Gesetz werden von den Herrschenden bagatellisiert oder instrumentalisiert, wenn sie ins Bild passen, um noch so abstruse Ziele oder Geschehnisse zu rechtfertigen.“

    Nein, nein, Herr O. lässt sich nicht mehr täuschen: Weder bei gutem Essen noch bei geistiger Kost, weder beim Einkaufen noch bei verführerischen Werbetelefonaten, weder bei falschen Versprechungen noch bei angeblichen Mogelpackungen, weder bei inhaltlich flachgebürsteten TV-Produktionen noch bei oberflächlichen Talk-Shows, weder bei fehlerhaften Diagnosen von Ärzten noch bei falsch servierten Speisen im Restaurant. Tiefgründige Diagnosen? Fehlanzeige, das gefährdet das Überleben der angeblichen Elite.

    Wer wehrt sich? Zwischen Kriegsgeschrei auch ein Mahnruf der Linken, endlich mal wieder: So ist in der jungen Welt vom 14.08.2014 mit der Überschrift „Gescheiterte Staaten in Serie“ eine Gemeinsame Erklärung der Vorsitzenden der Partei DIE LINKE, Bernd Riexinger und Katja Kipping, sowie des Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, zu lesen: „Die Welt steht am Scheideweg zwischen einer neuen Ära der Eskalation in Blockkonstellationen und einer Renaissance internationaler Konfliktlösungsmechanismen im globalen Maßstab.“

    Stehen auch die Menschen am Scheideweg? Was tun, wenn ihnen lediglich ein Ist-Zustand vorgezeigt wird, wenn ihnen Ursachen vorenthalten werden? Das ist geistige Unterdrückung. Das verdirbt und vernebelt die Hirne, das macht die Menschen letztendlich krank und gefügig. Damit ist die Verführung perfekt, der Magen verdorben und das Hirn entleert. Das Resultat oberflächlicher und inhaltsloser Berichterstattung: Kälte, Enthemmung, Leichtsinn, Arroganz, Interessenlosigkeit, Unglaube an Veränderungen, Inaktivität, Zurückziehen auf das nur Private. So beginnt der langsame Tod, die seelenlose Etappe des Absterbens der eigentlichen Werte - der Frage nach dem Sinn des Lebens. Des Zustandes, dass es keine Fragen mehr gibt. Die Armut des Materiellen hat eine Schwester: Die Armut der Zufriedenen, die sich behaglich zurücklehnen und im „Berufsleben“ stets auf Lauer-Position sein müssen. Gleichgültigkeit und Abscheu vor Politik, das ist Verfall.

    Herr Professor O. und Tschechow-Verehrer wird seine Buchlesung halten. Seine Krankheit der drohenden Sorg- und Interessenlosigkeit hat er überwunden. Selbstbestimmt. Wenn auch das Wort noch kein Tun ist. Er wird, das ahnt er, seine Lesung über den Sinn des Lebens womöglich in einem halbleeren Saal halten. Seine Gedanken? Werden sie ins Leere gehen? Vor müde abnickenden Studenten? Wäre das ein Zeichen des Verfalls? Das Unbehagen jener bourgeoisen Gelehrten und Publizisten in Zeitungen und Sachbüchern, die Zustände zwar markieren, treffend und kritisch oft, sozusagen in jedes Fettnäpfchen tretend, hält an: Lösungen sind nicht in Sicht? Bleibt es dabei: So oder so? Arme Seelen zwischen allen Stühlen? Oder übersieht er sie – die Anzeichen vom Widerstand der Unzerbrechlichen weltweit? ...

    Lieber Anton Tschechow, es wird wieder andere Zeiten geben, versprochen!

    Weitere Texte des Rezensenten: http://cleo-schreiber.blogspot.com

    Harry Popow: „WETTERLEUCHTEN - Platons erzürnte Erben haben das Wort“. Rezensionen, Essays, Tagebuch- und Blognotizen, Briefe – ein Zeitdokument“, Verlag: epubli GmbH, Auflage: 1 (18. Dezember 2015), Berlin, 392 Seiten, www.epubli.de , ISBN-10: 3737580650, ISBN-13: 978-3-7375-8065-6, Preis: 21.99 Euro

    Harry Popow: „In die Stille gerettet. Persönliche Lebensbilder.“ Engelsdorfer Verlag, Leipzig, 2010, 308 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-86268-060-3

  • Die Plauener SpitzenfrauDatum06.02.2016 10:28
    Thema von harrymen im Forum Rezensionen

    (Von harrymen mit Zusage des Rezensenten veröffentlicht)

    Meine Bemerkungen zu Harry Popows Roman „Cleo“

    Die Plauener-Spitzen-Frau
    und ihr Bogenschütze

    Von Dr. Karl-Heinz Otto, Potsdam
    (Carlotto – Autor und Verleger)

    Harry Popow hat seine bemerkenswerten Prosageschichten unter dem exotischen Namen „Cleo“ versammelt, und, um es dem Leser leichter zu machen, zusätzlich gleich zwiefach untertitelt. Mich erwarten also, wenn ich mich dem Lesevergnügen „Cleo“ hingebe, „Persönliche Lebensbilder“ im literarischen Kleid eines „authentischen Liebesromans“. Allein, dass ein Autor den Mut aufbringt, sein tatsächlich gelebtes Leben, insbesondere seine mehr als dreißig Jahre währende kurvenreiche „Karriere“ im „Ehrenkleid“ der längst im Orkus der Geschichte gestrandeten Nationalen Volksarmee und seine beneidenswert schöne und bis ins Heute gepflegte Liebe zu Cleo mit ungeschminkt ehrlicher Authentizität offenzulegen, wirkt verführerisch genug, mich auf Popow einzulassen.



    Im Vorsatz des Romans springt mich dann dieser tiefsinnige Aphorismus aus Konstantin Paustowskijs feinfühliger Erzählung „Die Goldene Rose“ an: „Alles, was den Menschen niederdrückt und betrübt, alles, was ihn auch nur eine Träne vergießen lässt, muss mit der Wurzel ausgerottet werden … Die Wüsten ebenso wie die Kriege, die Ungerechtigkeit, die Lüge und die Gleichgültigkeit gegenüber dem menschlichen Herzen.“ Anspruchsvolle, humanistische Worte, die der Autor diesem aus seinen persönlichen Lebensbildern komponierten authentischen Liebesroman quasi als Leitmotiv vorangestellt hat. Meine letzten Bedenken, Popows Roman zu lesen, schwinden.

    Wer die Messlatte schon zu Beginn seiner Geschichten so hoch legt, der muss sich seiner Sache nicht nur sehr sicher sein, nein, der wird auch Gewichtiges zu den unsterblichen Menschheitsthemen von Krieg und Frieden, von den kleinen und großen Ungerechtigkeiten und Lügen und der beschämenden Gleichgültigkeit der immer wieder nachwachsenden Mitläufer zu erzählen haben. Und Harry Popow gelingt es in der Tat, viel Nachdenkliches aus seiner Erinnerungstruhe ans Tageslicht zu befördern, ist sie doch glücklicherweise reichlich mit allerlei Briefen und Tagebuchnotizen gefüllt.

    Dabei war dem Arbeiterjungen, der seinen beschwerlichen und doch so hoffnungsvollen Lebensweg in den sächsischen Steinkohlenrevieren von Zwickau beginnt, im Jahre 1936 an seiner Wiege wahrlich nicht gesungen worden, sich später einmal unter die Schriftsteller zu wagen. Auch als er Armeeoffizier wird und Journalistik studiert und schließlich als Reporter der Wochenzeitung „Volksarmee“ auf Achse ist, denkt er nicht in literarischen Kategorien, die für ihn auch weiterhin jenseits seiner journalistischen Pflichten angesiedelt sind. Das ändert sich auch nicht, als er dann nach langen 32 Jahren die Uniform auszieht und beim Deutschen Fernsehfunk in Adlershof glücklicherweise eine Arbeit findet, die mehr als nur ein ungeliebter Job ist.

    Erst als ihn 1989 – wie Millionen andere auch – diese Zeitenwende – die er, vielen Gesinnungsgenossen gleich, so nicht gewollt hat und deshalb ohne Umschweife als Rückwende oder gar als Konterrevolution empfindet – mit brachialer Gewalt aus der Bahn wirft, beginnt er, der immer nur vorwärts gewandt für eine lebenswertere sozialistische Zukunft eingetreten war, sein bisheriges Leben neu zu bedenken. Doch dazu braucht er einen klaren Kopf und klare Luft vor allem. Deshalb sagen Harry Popow und seine Cleo dem mit heißer Nadel wieder zusammengeflickten Deutschland für neun Jahre ade. In einem bescheidenen schwedischen Holzhaus haben sie sich im wahrsten Sinne des Wortes in die Stille gerettet und finden allmählich wieder zu sich. Während dieses nicht ausschließlich schmerzfreien Prozesses des Zusichfindens öffnet Harry Popow endlich seine lange verschlossene Erinnerungstruhe. Welch herrliche Schätze lachen ihn da an! Unter ihnen manch traurige Geschichte, die er am liebsten hätte aus seinem Leben streichen wollen. Er staunt, wie bitter wahr sich die Behauptung erweist, dass die tiefsten Beulen am Helm eines Kommunisten meistens von den eigenen Genossen stammen. Er ist stolz darauf, dass er sich trotz mancher Versuchung niemals hat verbiegen lassen. Am stärksten aber beeindrucken ihn die vielen, vielen Liebesbriefe …

    Vor dem nun schon ergrauten Alten breitet sich sein gesamtes facettenreiches Leben aus. Vielleicht birgt jene Floskel ein Körnchen Wahrheit, nach der jedes Leben einen Roman in sich trägt. Nun liegt er vor, der Roman des Harry Popow. Das Authentische der bunten Lebensbilder nimmt man dem Autor unbedenklich ab, auch wenn er nicht den allerletzten Mut aufbringt, seine Geschichten durchgängig in der Ich-Form zu erzählen. Stattdessen versteckt er sich in der fiktionalen Figur des Henry Orlow, die aber unschwer als Alter Ego des Autors erkennbar ist. Nur manchmal wechselt die Erzählperspektive vom Auktorialen zum verräterischen Ich. An dieses ungewöhnliche Vibrieren der Erzählsicht kann man sich jedoch schnell gewöhnen und als Stilmittel zur Steigerung der authentischen Elemente anerkennen.

    Harry Popow ist mit seinem Roman ein lesenswertes Stück Prosa gelungen. Manche werden ihn als aufschlussreiche Memoiren eines romantischen NVA-Offiziers lesen. Andere werden sich an der berührenden Liebesgeschichte zwischen dem Bogenschützen Harry und der Plauener-Spitzen-Frau Cleo erfreuen. Doch unabhängig davon, wie man die Lebensbilder des Harry-Henry interpretieren will, klüger, als man in den Roman eingetaucht ist, wird man allemal aus ihm wieder auftauchen. Ich aber muss nun dieses beneidenswert glückliche Liebespaar Cleo und ihren romantischen Bogenschützen verlassen. Bleibt mir am Ende nur noch der Wunsch, dass ihre Geschichte einen großen Leserkreis finden möge.



    Der autobiographische Roman von Harry Popow „In die Stille gerettet. Persönliche Lebensbilder“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig, 2010, 308 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-86268-060-3, ist nunmehr auch mit neuem Titel und Cover - siehe oben - bei Amazon erhältlich:

    Amazon: http://www.amazon.de/CLEO-Pers%C3%B6nlic...her+Liebesroman


    Inhaltsverzeichnis:

    Das kleine Schwedenhaus - Erich, der Berliner - Tamara, die Moskauerin - Ein Groschen für den Leiermann - Ohrfeige für Henry - Ein gutes Wort für jeden – Tiefflieger - Weiße Armbinden - Von Schöneberg nach Pankow - Mutter im Denkmal -  Träumender Trommler - Bandenkriege - Bei Präsident Pieck - Drahteseltour  -  Steinkohlen-Zeit - Geologen-Zeit - Knobelbecher-Zeit - Glück ab - Tee mit Rum -

    Das weiße Spitzenkleid - Das verbotene Tagebuch - Parade in Berlin - Eine Pforte für den „Fußballer“ - Sekt in der Badewanne - Die „Taiga“ - Auf Werbetour - Die Heiligabend-Dropsrollen - Posten auf dem Damm - Waldi mit Depressionen - Rebellion des Geistes - Stalinstadt(Eisenhüttenstadt) - Kopfwäsche - Sackgasse Pinnow - Theatertage in Weimar - Kranker Pedalritter - Einöde - Unter Mpi-Begleitung – Bilderstürmer - Am Kai ohne Neid - Jungfernfahrt ohne Geld - Zum Feuerschiff ohne Hemmungen -

    Der Dukatenscheißer - Heiraten, oder? - Nasse Füße contra Kulturschande - Neuer Anlauf - Cleo auf dem Sozius - Die schöne Gouvernante - Vom Umtausch ausgeschlossen - Patricia in Aussicht - „Der kommt auch noch dahinter...“ - Ab in den Wald! - „Seelsorger“-Sorgen – Wortgeklingel - Wer schläft hier sanft? - Reinfall am „runden Tisch“ - „Götter-Ohren“ an Soldaten-Herzen - Der Feldherrenhügel - Befehl zum Antanzen - „Marter“ unter Gitarrenklängen - Buschfunk an der Tankstelle - Guten Tag Sanssouci - Frisiert und zahnlos - Mann mit Format - Paroli bieten -

    Der Zauberer Otto Nagel - Die zweite Geburt - Im Donaudelta - Redaktion „Atemlos“ - Flucht nach Sotschi – Gorbatschow - Jubel aus allen Rohren - „Kampfplatz“ -  Adlershof - Die „Konterrevolution“ - „Soldatenhochzeit“ - Aufruhr in Kinosälen - Der Vortragskünstler – Spießrutenlauf - Papa, Papa...! - Versteinerte Gesichter - „Gorbi“ hilf – Mauerfall-Chaos - Immer noch rot? - Abzockerei auf Gran Canaria - Die „alternative“ List - Silvester in der Schifferstube -

    Blind gekauft - Empfang bei „Pippi Langstrumpf“ - Lüpft bitte den Hut - Schwedische Gastfreundschaft - Hurra, der Schornstein raucht - Spitzlichter auf`s Gemälde - Siebzig und kein Wodka - Dorfball in Orrefors - Grillen im Schnee - Großer Bahnhof - Flu auf dem Traktor - Brennerausfall beim Nachbar - Endlich Sauerkraut - Kaffeewasser auf Teelichtern - „Pfingsttreffen“ mit Stolitschnaja - Das Pendel der alten Uhr - Alter Mann und rote Rose - „Seit wann denn das, Opa?“ - Auf der Sonneninsel - Lenin, komm heraus! - Stürmische Nachbemerkung - Worte zum Titelbild

  • Göttinnen im ZornDatum06.02.2016 10:24
    Thema von harrymen im Forum Rezensionen

    „Patriarchat und Kapital“ - Maria Mies

    Göttinnen im Zorn

    Buchtipp von harrymen

    „Niemand liebt dich so wie ich...“ Wer kennt das noch, das tolle Lied von Manfred Krug, damals in der DDR? Er hatte sich davongemacht, aber seine Lieder und Texte sind manchem noch heute im Herzen. Die Liebe. Mann und Frau. Seite an Seite. Ob auf dem Felde oder in Betrieben oder in Redaktionen. Und die Ehrungen und die Hochachtung vor den werktätigen Frauen. Ungern wurden sie als Hausfrauen zurückgelassen. Arbeiten war auch ihnen nicht nur Last, sondern Lust, da sie einen Sinn ergab. Nicht nur des Geldes wegen. Nicht zu unterschlagen: Die Förderung, besonders der Frauen, in der Bildung. Dazu kostenlose Kindertagesstätten. Voll bezahlten Schwangerschaftsurlaub. Und, und, und... Nie hat es eine soziale Ausgrenzung gegeben. Und die Blumen zum Frauentag. Kamen sie nicht etwa aus den Herzen der Männer? Und die Brigadefeste.

    Trotzdem: Die Mühen der Ebenen waren gerade erst in Fahrt gekommen, da überstülpte uns der Kapitalismus mit erneuter Ausbeutung von Männern und Frauen. Die mit großer Anstrengung durch die Arbeiter-und-Bauern-Macht erzielte Harmonie im Volk, was die Regel war, wich der erneuten Ausbeutung und Unterbezahlung und Unterdrückung von Frauen. Elende Stellungssuche! Nun stand wieder im Vordergrund: Frauen ran an den Kochtopp. Die Entwürdigung nahm ihren Lauf und hält an...

    Ein Buch mit dem Titel „Patriarchat & Kapital“ über die Befreiung der Frauen von Ausbeutung, Unterdrückung und Gewalt kann nicht aktueller sein als gerade heute, im Jahre 2016, in einer Zeit, da Kölner und Hamburger Willkürakte und Vergewaltigungen von Frauen Deutschland und die Welt erschüttern.

    Die Autorin: Maria Mies. Emeritierte Professorin in der Fachhochschule Köln. Mit ihren Studentinnen gründete sie 1976 das erste Frauenhaus in Deutschland. Seit 1985 engagiert sie sich im feministischen Kampf. Hut ab vor dieser starken Frau. Es sei ihr wichtigstes Buch, schreibt sie. Es sei 1986 in London und 1988 im Rotpunktverlag in Zürich veröffentlicht sowie 2015 im bge-verlag erneut aufgelegt worden. Wie kann es anders sein – mit einem neuen Vorwort. Voll auf die heutige Zeit zugeschnitten. Als neue Rahmenbedingungen – vor allem seit 1989 – nennt sie die Ideologie des Neoliberalismus, das gesteigerte Profitstreben des Imperialismus, den weltweiten Siegeszug des Kapitalismus, Internet und neuerliche Kriege, Terrorismus, neue Feindbilder. (Seiten 9-11) Dazu zählen auch die kulturellen und ethnischen Konflikte, die oft und zunehmend mit physischer Gewalt einhergehen.

    Das Buch sei eine Frucht des Zorns, schreibt sie. Darüber, „dass auch in den sogenannten fortschrittlichen Ländern Frauen Opfer von Diskriminierung und Gewalt sind“. Doch sie wollte mehr, nämlich die Geschichte dieses frauenfeindlichen Systems, seine tieferen Ursachen und seine Erscheinungsformen erforschen. Es war ihr klar, dass Zorn zwar wichtig ist, dass man aber „ohne theoretische Begründung nicht zu einer Veränderung dieses Systems“ in der BRD kommen könne. (S. 1) Auch bloße Appelle und Boykottmaßnahmen seien wenig hilfreich.

    Ihr Ausgangspunkt: Viele junge Menschen sehen mit Angst in die Zukunft. Der Kapitalismus zerstört die Natur, provoziert Kriege, vergrößert die Kluft zwischen Arm und Reich und setzt durch seine stets wachsende Akkumulation von Geld und Profit für alle späteren Generationen die Zukunft aufs Spiel. (S. 16)

    Ihre Suche nach Quellen und Beispielen begann nicht bei Büchern, betont die Autorin, sondern bei Reisen in die Welt, vor allem bei einem Aufenthalt in Indien in den Jahren 1963 bis 1968. So erweiterte sie ihren Horizont durch eigene Erfahrungen bei nationalen und internationalen Tätigkeiten und Verbindungen.

    In den Kapiteln 1 bis 7 geht es um den Feminismus, die sozialen Ursprünge der geschlechtlichen Arbeitsteilung, die Kolonisierung und Hausfrauisierung, die internationale Arbeitsteilung, die Rolle der Gewalt, die des Sozialismus sowie um Gedanken zu einer künftigen Gesellschaft.

    Warum aber Patriarchat? Maria Mies gibt sich mit der Lektüre der Klassiker des Marxismus/Leninismus (Marx, Engels, Zetkin, Luxemburg, Lenin) nicht zufrieden, denn, so meint sie, diese hätten der Frauenbewegung nicht genügend Raum gegeben, zumal das Verhältnis Männer zu Frauen seit Urzeiten eine dominierende Rolle spielt. Auf Seite 7 notiert sie, dass die Männer in vor-patriarchalen Gesellschaften wussten, „dass die Mütter der Anfang menschlichen Lebens sind...“ Sie waren die Große Göttin. Nicht so in patriarchalen Gesellschaften. Sie verweist auf den griechischen Philosophen Heraklit (500 v.u.Z.), der schrieb: Der Mann als Krieger sei der Vater aller Dinge, er gilt als Anfang des Lebens. Er sei der „Macher“ (Patriarchat: Herrschaft der Väter.) Und daraus zieht die Autorin den Schluss: „Die ganze moderne Technologie, insbesondere die neue Kriegstechnologie, beruht bis heute auf diesem Männerbild.“ Nicht die größere Körperkraft mache die Männer zu Herren über Frauen und die Erde, nicht die Anatomie, sondern die Gewalt.

    Sehr interessant zu lesen sind in diesem Zusammenhang die Rückblicke in die Geschichte, in die Zeit der Jäger und Sammler, des Mittelalters mit Hexenverbrennungen, in die Zeit des Feudalismus und des Frühkapitalismus. Sie teilt die Erkenntnis von Frauen, dass Vergewaltigungen, das Schlagen von Frauen, das Quälen und die Belästigungen, „nicht nur Ausdruck abweichenden Verhaltens seitens eines Teils der Männer waren, sondern wesentlicher Bestandteil des ganzen Systems der männlichen oder eher patriarchalen Herrschaft über Frauen“ sind. (S. 65)

    Wenn die Autorin auf Seite 25 betont, die Frauenfrage müsse im Kontext aller sozialen Verhältnisse begriffen werden, dann stellt sich die Frage, warum sie Gewalt und Waffen als die dominierenden Ursachen für diese Fehlentwicklungen hinsichtlich der Frauenunterdrückung bezeichnet? Ja, sie warnt, der Akkumulationsprozess zerstöre „überall das Innerste des menschlichen Wesens“. Sind also ihrer Erkenntnis nach die Waffen schuld am Verhängnis? Man entreiße also, um das mal ganz banal auszudrücken, den Herrschern ihre Mordinstrumente, den Jägern ihre Schusswaffen, den Truppen ihre Raketen, und schon könne man eine Veränderung des Systems erreichen? Auf den Punkt bringen wir das Problem, wenn wir uns auf der Seite 295 die folgende Frage der Autorin im Zusammenhang mit Befreiungskämpfen und der Teilnahme von Frauen daran, ansieht: „Oder genügt es zu sagen, dass es einen grundlegenden Unterschied zwischen einem Krieg, den eine Nation oder ein Volk für seine Befreiung von imperialistischer und kolonialistischer Abhängigkeit führt, und einem Krieg zwischen Imperialisten gibt?“

    Wer an dieser Stelle nicht nach ökonomischen und politischen Interessen fragt, läuft mit jeglichen Analysen in die Sackgasse. Sicher, Gewalt hat seine Ursachen, und wer Waffen benutzt, hängt von den jeweiligen persönlichen und Klasseninteressen ab. Eine Waffe hat keinen Klassencharakter. Sie kann ein Angreifer benutzen und ein Verteidiger. Das ist wohl zu unterscheiden. Deshalb führt auch jeder schematische Vergleich Kapitalismus/Sozialismus in die Irre. Keiner bezweifelt, dass nach der Befreiung von Ausbeutung die Beziehungen zwischen Mann und Frau als patriachalisches Verhältnis nicht automatisch liquidiert ist. Dazu bedarf es einer langen moralischen und kulturellen Erziehung, bei der die Frauen in der gewonnenen Freizeit „den müßigen Männern ein Gefühl von Sinn, Realität und Leben vermitteln sollen“. Denn von deren Kreativität, so die Autorin, sei „weiß Gott nicht viel zu sehen“. (S. 366)

    Wenn Maria Mies von Alternativen schreibt, dann geht sie – ganz im Gegensatz der marxistischen Klassiker und zahlreicher gegenwärtiger Autoren, nicht von einem weiteren industriellen Wachstum und der unendlichen Befriedigung menschlicher Bedürfnisse aus, denn die Ressourcen seien alle sehr begrenzt. Insofern plädiert sie für Selbstversorgung, für eine Subsistenzproduktion (für sich selbst), dafür, nicht nur als Konsummarionetten zu dienen, sie nimmt Stellung gegen die  zunehmende Brutalität in den sozialen Beziehungen, will dem dreisten Sextourismus ein Ende setzen. Sie wünsche sich die Absage an die Ausbeutung (S. 368) und ein Ende der zerstörerischen Überproduktion. (S. 387)

    „Patriarchat & Kapital“ ist hinsichtlich der großen internationalen persönlichen Erfahrungen der Autorin an der Seite der Feministinnen aus aller Welt eine Fundgrube neuer Erkenntnisse. Es ist gleichzeitig eine Perle der Streitbarkeit, ein Rebellenbuch, indem es gänzlich neue Fragen einer möglichen Zukunft ohne Ausbeutung und Unterdrückung ins Rampenlicht stellt. Zu wünschen ist, dass dieses großartige Buch seine interessierten und nach tieferem Wissen strebenden Leser – Frauen und Männer – findet. Solange die Zukunft eine Vision bleibt, sollten die GROßEN GÖTTINNEN ihrem Zorn die Tat hinzuzufügen, an der Seite des anderen Geschlechts.

    Mögen begnadete Männer schon jetzt, bevor eine andere und gerechtere Gesellschaft in Sicht ist, zu ihren GROßEN GÖTTINNEN den Text des anfangs genannten Liedes, gesungen einst von Manfred Krug, fortsetzen: „All mein Leben, all mein Lieben, nimm es hin, bin Sklave dir, du Königin.“

    Maria Mies: Taschenbuch: Gebundene Ausgabe: 420 Seiten, Verlag: bge-verlag (22. Juni 2015), Sprache: Deutsch, ISBN-10: 3945432014, ISBN-13: 978-3945432013, Größe: 14,2 x 3,2 x 21,1 cm, 24,90 Euro


    Weitere Texte des Rezensenten: http://cleo-schreiber.blogspot.com

    Harry Popow: „WETTERLEUCHTEN - Platons erzürnte Erben haben das Wort“. Rezensionen, Essays, Tagebuch- und Blognotizen, Briefe – ein Zeitdokument“, Verlag: epubli GmbH, Auflage: 1 (18. Dezember 2015), Berlin, 392 Seiten, www.epubli.de , ISBN-10: 3737580650, ISBN-13: 978-3-7375-8065-6, Preis: 21.99 Euro

    Harry Popow: „In die Stille gerettet. Persönliche Lebensbilder.“ Engelsdorfer Verlag, Leipzig, 2010, 308 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-86268-060-3

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