Der Nussk(n)acker
in Kurzgeschichten jeglicher Art 24.11.2019 21:33von Harald Herrmann • | 150 Beiträge
Der Nussk(n)acker
Johann Peter Schaefer - »Schaefer mit “AE“ bitte sehr« - Frührentner und Opa einer fünfköpfigen Enkelschar ist für jeden Blödsinn zu haben. Das ist auch seinen Enkeln bekannt, seine Lieblingsenkelin, die jüngste, knapp zehnjährige Lena, nutzt dies auch weidlich aus …
Nachdem im letzten Herbst beide, Lena und ihr Opa, mit Stolz den größten Drachen der Siedlung hatten steigen lassen, ein Riesenmonstrum in Form eines Drachen mit einer Vorrichtung versehen, die ab und zu per Fernbedienung aus einer Gaskartusche Feuer speien konnte, hatte sich Lena ausbedungen, dass es in folgenden Jahr ein tatsächlich fliegender Drache sein musste.
Sie hatte auf Facebook die "fliegende Hexe" gesehen, ein Modellflugzeug in Form einer Hexe auf einem Besen. Opa Peter hatte sich nur zu gern breitschlagen lassen und werkelte an diesem Trumm herum.
Hinter ihm erklang Lenas Stimme:
»Opa Peter, wann ist es denn so weit, dass wir Nüsse pflücken können?«
»Lena, da gehen noch einige Wochen ins Land, und wir werden früh genug unter dem Baum freirechen, dann brauchst du sie nur aufzulesen.«
»Menno, ich wollte aber jetzt schon Nüsse haben, nicht erst zu Weihnachten!«
»Warte ein wenig, ich bringe dir welche mit, wenn ich das nächste Mal zum Einkaufen fahre …«
»Aber welche mit Schale, sonst ist der Spaß nur halb so groß!«
»Geht klar, kleine Mäusekönigin.“
Mit einem glockenhellen Lachen entschwand die Kleine, er hörte nur noch ein, »ich freu mich schon drauf …«
"Opa Peter" lächelte vor sich hin, als er sich wieder die Zeit vor knapp einem Jahr ins Gedächtnis zurückrief, als Lena mit den aufgelesenen Nüssen kam und sich beschwerte, dass der vorhandene Nussknacker die eingeschlossenen Nüsse mit dem Knacken der Schale teilweise auch zerstört würden.
Sie hatte irgendwann mal die Geschichte vom "Nussknacker und Mäusekönig" gelesen, und seit dieser Zeit schwärmte sie schon in jedem Jahr davon, einmal einen richtigen Nussknacker zu besitzen, einen in der Art der Gardesoldaten des "Alten Fritz", der die in den Mund geschobenen Nüsse sauber und unzerstört von der Schale befreite. Er hatte zu ihr gesagt:
»Pass auf mein Mäuschen, besser gesagt, meine "Mäusekönigin", ich werde Dir einen solchen Nussknacker bauen, will dafür aber einen schön geschriebenen Wunschzettel haben, den ich mir an einer Stelle anhefte, die ich immer sehen muss, damit ich das nicht vergesse!«
Noch am gleichen Abend drückte ihm die Kleine einen verschlossenen Brief in die Hand, in dem ihr Wunschzettel befinden würde, er solle ihn aber erst aufmachen, wenn sie schon im Bett läge.
Als er später den Brief öffnete, da stand in ihrer schönsten Handschrift der Satz:
Ich wünsche mir für Weihnachten einen "Nusskacker"!
Die nächste Zeit war Peter in der – wie in der Vorweihnachtszeit üblich – verschlossenen Werkstatt schwer beschäftigt, er hatte sich vorgenommen, dem schriftlichen Wunsch der Enkelin entsprechend einen "Nusskacker" sowie ihrem vorher geäußerten Wunsch nachkommend, einen "Nussknacker" zu bauen. Die Bauanleitung für den Nussknacker hatte er sich im Internet heruntergeladen, das war eine Kleinigkeit …
… für den Nusskacker allerdings, da musste er ein wenig basteln.
Sich an der Mechanik eines Süßstoffspenders orientierend, entstand größenordnungskonform zum Nussknacker ein mit heruntergelassener Hose hockender Soldat, innen schön ausgehöhlt, der, wenn man ihm auf die Mütze drückte, eine Nuss aus dem Popo fallen ließ.
Beide Gestalten wurden mit den gleichen Farben bemalt und er verpackte sie in zwei Päckchen, wobei die Version des "kackenden" Soldaten in einem Päckchen mit dem aufgeklebten Wunschzettel unter den Baum kommen sollte, das zweite Exemplar aber in seinem Zimmer verblieb.
An Heiligabend, nach all dem "Brimborium", das er eigentlich nicht so mochte, fieberte er der Überraschung entgegen. Es kam zur Verteilung und zum Auspacken der Geschenke, aber statt des von ihm erwarteten »Iiih, was ist denn das?« seiner Enkelin kam ein Triumphschrei:
»Klasse Opa, genau so habe ich mir das vorgestellt, damit habe ich eine Wette gegen acht Klassenkameradinnen gewonnen, die mir nicht glauben wollten, dass Du das so machst!«
Nachdem sie allen in der Familie das Teil vorgeführt hatte, kam sie zu ihm, kletterte auf seinen Schoß, schlang ihre Ärmchen um seinen Hals, küsste ihn und flüsterte:
»Danke, Opa, dass du das für mich gemacht hast – und wie ich dich kenne, gibt es auch noch einen echten Nussknacker, den hätte ich gerne auch noch, damit wir die Nussschalen knacken können, um den Kollegen mit Nüssen zu füttern, der sie dann für uns kacken kann!«
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